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Tafeln unter Druck

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Unterstützung für Flüchtlinge

Die Tafeln in Deutschland geraten unter Druck. Seit Jahren vergrößert sich die Zahl der Kunden. Doch die Flüchtlingskrise stellt die Einrichtungen vor zusätzliche Probleme. Nicht nur, dass mancherorts die Lebensmittelspenden nicht mehr ausreichen. Jetzt werden die Helfer wegen ihres Engagements für Flüchtlinge offenbar zunehmend verbal attackiert.  

Rund eine Million Menschen nutzen täglich die "Tafel". Hinzu kommen aktuell viele Flüchtlinge. Foto: kna-bild

"Uns schlägt zunehmend Wut entgegen. Wir werden beschimpft und beleidigt", sagte der Bundesvorsitzende des Tafelverbandes, Jochen Brühl, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Seinen Angaben zufolge unterstützen die Tafeln derzeit 150.000 Flüchtlinge zusätzlich zu den etwa eine Million Nutzern täglich an den 2.000 Ausgabestellen. "Das ist eine Steigerung um zehn Prozent, in manchen Städten sogar um bis zu 50 Prozent", so Brühl. Die rund 60.000 Helfer arbeiteten am Rande der Belastbarkeit. 

Mancherorts kommt es zu Engpässen bei der Verpflegung. So veröffentlichte die Tafel in Oldenburg einen "Brandbrief", weil die örtlichen Lebensmittelspenden nicht ausreichten. Gebeten wurde auch um Lebensmittel, die typisch sind für außereuropäische Kulturkreise: Kokosmilch, Kichererbsen, Bulgur oder Süßkartoffeln. 

Die Knappheit führt laut Bundesverband auch zu Verteilungskonflikten zwischen den Kundengruppen: einerseits Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, Rentner und Geringverdiener und andererseits den Flüchtlingen. Glaubt man Brühl, kommt es immer häufiger zu fremdenfeindlichen Anfeindungen. Eine der harmloseren Forderungen laute, die Lebensmittel ausschließlich an bedürftige Deutsche zu verteilen. "Flüchtlinge sind ebenso bedürftig wie arme Rentner oder Familien", entgegnet der Bundesverbandschef. "Wir lassen uns nicht von Hasstiraden einschüchtern." 

Auf Nachfrage wollte die Sprecherin des Verbands, Stefanie Bresgott, allerdings keine konkreten Vorfälle nennen. Die Tafeln seien bemüht, das Problem nicht zu schüren. Der Bundesverband erhalte jedenfalls "sehr irritierende E-Mails". Sie würden teilweise auch von Parteien wie der NPD gesteuert.  
 

"Keinerlei Vorkommnisse"

Eine stichprobenartige Umfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur bei Landesverbänden ergab, dass dies - zumindest für die Ohren der Öffentlichkeit - meist kein großes Thema ist. "Keinerlei Vorkommnisse", erklärte der Vorsitzende des baden-württembergischen Landesverbandes, Wolfhart von Zabiensky. Auch Wolfgang Weilerswist, Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, kennt keine konkreten Vorfälle. 

Für den Landesverband Sachsen-Anhalt spricht der Vorsitzende Andreas Steppuhn von einer "ruhigen Situation". Hassmails seien nicht bekannt. Auseinandersetzungen seien Einzelfälle. Alle Bedürftigen würden gleich behandelt, so der SPD-Landtagsabgeordnete. Asylbewerber müssten zwar eigentlich vom Staat in den Unterkünften versorgt werden. "Oft ist die Verpflegung da sehr dürftig. Viele Tafeln unterstützen dann zusätzlich."

Karl-Heinz Krüger, Landesvorsitzender für Bremen und Niedersachsen, hat keine Erkenntnisse über Drohungen und Beleidigungen. Zugleich räumt er ein, dass es zu Konkurrenzsituationen kommen könne. "Die Spenden sind ja nicht beliebig ausdehnbar." Auch Ralf Taubenheim, Geschäftsführer der Hamburger Tafel, sieht mögliche Probleme in der Zukunft. Noch seinen die meisten Flüchtlinge in Erstaufnahmelagern. Doch in den kommenden Monaten sei ein weiterer "signifikanter" Anstieg an Bedürftigen zu erwarten. "Da rollt etwas auf uns zu, und wir wissen noch nicht, wie wir es bewältigen sollen." 

Dass die Situation der Tafeln auf jeden Fall angespannt ist, zeigt sich in Bayern. Dort hatte die Dachauer Tafel nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" schon 2013 beschlossen, dass an Asylbewerber keine Lebensmittel abgegeben werden. Begründung: Die Flüchtlinge bekämen doch Geld vom Staat. Folglich müssten sie auch lernen, damit umzugehen.

Nach Bekanntwerden dieses Vorgehens erlebt die vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) getragene Einrichtung derzeit einen Sturm der Entrüstung. "Die Ausgrenzung bestimmter Gruppen ist mit der Tafel-Idee nicht vereinbar und ein Verstoß gegen die Grundsätze des Bundesverbandes", sagt der Bundesvorsitzende Brühl.

kna


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