Am 3. Oktober ist Zeit zu feiern und Zeit, die Zukunft zu planen: Die deutsche Einheit feiert Silberhochzeit. Noch ist aber nicht die Zeit, um einen Schlussstrich zu ziehen, schreibt Matthias Holluba in seinem Kommentar.
Am 3. Oktober wird gefeiert. Silberhochzeit. Vor 25 Jahren haben der Osten und der Westen „Ja“ zueinander gesagt. Die Bilanz kann sich sehen lassen: Der Bräutigam aus gutem Hause hat es sich einiges kosten lassen, aus dem einfachen Mädchen eine vorzeigbare Gemahlin zu machen.
Der Osten ist im vereinten Deutschland angekommen. Die Wirtschaft hat massiv aufgeholt – auch wenn die Arbeitsproduktivität immer noch 20 Prozent unter der des Westens liegt. Zwar bleibt die Arbeitslosenquote im Osten insgesamt höher, doch ist die Zahl der Arbeitslosen zurückgegangen. Und auf ostdeutschen Autobahnen kommt man inzwischen besser vorwärts als im Westen.
Deutschland wächst zusammen. Spuren der einstigen Todesgrenze gibt es nur noch wenige. Die zwei wichtigsten Staatsämter der Bundesrepublik sind mit Merkel und Gauck in ostdeutscher Hand. BMW, Volkswagen und Porsche lassen Autos im Osten bauen. Und ein paar Ostprodukte wie Rotkäppchen, Radeberger oder Spee-Waschmittel werden auch im Westen gekauft. Für die Nachwende-generation spielt das Ost-West-Thema sowieso kaum eine Rolle.
Kein Wunder, wenn manche sagen, nach 25 Jahren müsse Schluss sein mit der Ost-West-Debatte. Deutschland ist ein Land mit unterschiedlichen Regionen. Bayern ist nicht Schleswig-Holstein. Und Brandenburg nicht Baden-Württemberg. Außerdem gebe es nicht nur im Osten Regionen, die Fördermittel brauchen. Doch das sind keine Argumente, die bestehenden Unterschiede zu zementieren. Warum sollen die Menschen im Osten sich mit einer niedrigeren Rente abfinden? Und mit teils gravierenden Gehaltsunterschieden bei nahezu gleichen Lebenshaltungskosten?
Es ist noch keine Zeit für einen Schlussstrich unter das Thema Deutsche Einheit. Dabei geht es nicht nur um Geld und Wirtschaftsförderung. Es gibt auch jede Menge Gesprächsbedarf – etwa mit Blick auf das aktuelle Flüchtlingsthema oder das Phänomen Pegida. Solche Gesprächsthemen gibt es übrigens auch zwischen den Kirchen in Ost und West. Ökumene, Projekte für Nichtchristen wie die Lebenswendefeier oder priesterlose Gottesdienste an Sonntagen seien als Beispiele nur angedeutet.
Soll aus Deutschland nicht ein altes Ehepaar werden, dass nur noch schweigend zusammensitzt, weil man sich nichts mehr zu sagen hat und getrennte Wege in diesem Alter keine Alternative mehr sind, bleibt bis zur goldenen Hochzeit noch einiges zu tun. Weiter geht’s!
Von Matthias Holluba
Zur Sache: Vor einem Jahr reiste Matthias Holluba mit seinem Kollegen Stefan Branahl entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Lesen Sie hier noch einmal, wie sich die Grenze geändert hat und welche spannenden Menschen die beiden kennenlernten.