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Keine Stimme von oben

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Die Entscheidung für das Ordensleben

Bei der Deutschen Bank hat Katrin Rohrmann eine hoffnungsvolle Karriere vor sich, doch sie entscheidet sich für ein Leben im Kloster. Bis dahin ist es ein langer Weg. Die Geschichte ihrer Berufung erzählt davon.

"Man ist nicht irgendwann fertig mit seiner Suche nach dem tiefen
Sinn",  sagt Schwester Katharina. Foto: Marilis Kurz-Lunkenbein

Hat die Volkswirtin damals eine Stimme gehört? Die ihr auftrug: „Geh ins Kloster Tutzing und werde Missions-Benediktinerin.“ Und hat sie daufhin alles stehen und liegen lassen?

Im Besucherraum vom Kloster Tutzing serviert Schwester Katharina, die einst Katrin Rohrmann hieß, Kaffee und widerspricht lächelnd: „Nein, so spektakulär war das bei mir ganz bestimmt nicht. Es gab keine Stimme von oben, auch keinen Blitz und Donner, so wie es sich manche Menschen vielleicht vorstellen.“ 

Die Berufungsgeschichte der Katrin Rohrmann ist ein Weg, der nach langer Zeit des Suchens und Nachdenkens, nach Kloster auf Zeit und vielen Besuchswochenenden als Benediktinerin im oberbayerischen Kloster Tutzing endet. Zu ihrer Berufung gehören lange Spaziergänge am Starnberger See, intensive Gespräche mit Gastschwester Rachel und immer wieder Stunden des Innehaltens und Betens in der Kapelle. Es ist ein Prozess mit Fragen, Zweifeln und innerer Zerrissenheit. 

Doch der Reihe nach. Katrin Rohrmann, Jahrgang 1974, wächst im westfälischen Sauerland auf, macht ihr Abitur bei den Armen Schulschwestern in Arnsberg, ist Ministrantin, Lektorin, Kommunionhelferin. Dann folgt eine Lehre als Industriekauffrau. Anschließend Studium der Volkswirtschaft in Konstanz und Kanada mit diversen Praktika und Traineezeit bei der Deutschen Bank in Stuttgart. Mit gerade mal 30 Jahren entscheidet die Managerin schon über Millionenkredite für mittelständische Unternehmen in der Baubranche. 

Dass eine Großbank keine Sozialstation ist und sich alles ums große Geld dreht, damit hat die Volkswirtin keine Probleme. Warum auch? Ausgedehnte Reisen, Fitnessstudio, joggen, radeln und singen im Uni-Chor – das Leben der Katrin Rohrmann hat viele schöne Seiten. Eigentlich könnte sie glücklich und zufrieden sein. Wären da nicht tief im Innern immer diese bohrenden Fragen. 

 

Das Klosterleben wird nicht in rosa Farben dargestellt

In der Domgemeinde mitten in Stuttgart findet die Bankerin ihre kirchliche Heimat und in Schwester Marietta eine vertrauensvolle Gesprächspartnerin. Die Franziskanerin versteht, was sie umtreibt, dieses Gefühl, dass ihr irgendetwas fehlt.

Auf der Suche nach einer Auszeit stößt sie im Internet auf ein Angebot der Missions-Benediktinerinnen in Tutzing für „Kloster auf Zeit“ und beschließt, zehn Tage bei den Schwestern zu verbringen. Für Katrin Rohrmann beginnt eine „wegbereitende Reise ins Ungewisse“. 

In Tutzing fühlt sie sich von der Gemeinschaft angenommen, aber nicht vereinnahmend umworben. Die Schwestern vermitteln ihrem Gast, „dass es für sie der richtige Weg ist, in der Gemeinschaft des Klosters in ihre Gottesbeziehung zu investieren“. Aber sie sagen auch: „Gottesbeziehung kannst du auf verschiedene Art und Weise leben und unser Weg ist einer davon.“ 

Auch Schwester Rachel, die sie auf ihrem Entscheidungsweg begleitet, stellt das Klosterleben nicht in rosa Farben dar. „Wir sind Frauen, die versuchen, nach dem Evangelium zu leben, aber wir sind auch nur Menschen.“

Im Kloster Tutzing leben 70 Schwestern, viele alte, einige junge. Sie alle haben ihre eigenen Vorstellungen vom Leben in der Gemeinschaft und der Arbeit als Missionarinnen. Das ist schwer, immer unter einen Hut zu bringen. Da muss man als Priorin – wie heute Schwester Ruth – viel Einfühlungsvermögen, psychologisches Geschick und guten Willen mitbringen. 

 

Warten, bis der richtige Zeitpunkt gekommen ist

Will Katrin Rohrmann so leben? Sie weiß es nicht. Es folgen viele kleine Auszeiten, Wochenenden, Weihnachten, Ostern, andere Feiertage in Tutzing. In der Gemeinschaft der Schwestern lernt sie, „dass man nicht irgendwann fertig ist mit seiner Suche nach dem tieferen Sinn und nicht stehenbleibt bei der Frage, was das ,Mit-Gott-Leben‘ heißt.“ Es überrascht und fasziniert sie, dass sich viele Schwestern diese Frage immer wieder neu stellen. 

Die Bankerin setzt sich unter Druck. Die Ostertage 2006 sollen eine Entscheidung bringen. Als sie danach zurück nach Stuttgart fährt, hat sie gelernt: „So funktioniert das nicht. Man kann nicht einfach sagen, ich entscheide mich, wenn der Zeitpunkt noch nicht gekommen ist. Ich habe gemerkt, ich brauchte noch Zeit.“ 

Insgesamt soll es fast zwei Jahre dauern, bis Katrin Rohrmann auf die Frage „Wäre das Leben im Kloster auch ein Weg für mich?“ mit „Ja“ antworten kann. Die Antwort findet sie im Sommer 2006 – ganz banal – beim Laufen im Wald. „Könntest du wohl in Tutzing auch joggen?“, schießt es ihr in den Sinn und sie spürt, dass jetzt die Zeit reif ist, um im Kloster zu fragen: „Darf ich ganz zu euch kommen?“

Seit fast zehn Jahren ist die 42-Jährige in Tutzing zu Hause, wo Joggen im Wald und Schwimmen im Starnberger See übrigens nicht tabu sind. Sie kümmert sich um die Finanzen des Klosters, arbeitet im Pfarrgemeinderat mit, unterrichtet Religion in der Grundschule. Unter die Leute gehen und den eigenen Glauben vorleben. Das ist ihre Vorstellung von Mission, „die heute vor der eigenen Haustür nötiger ist als in Afrika“. Das aber wäre schon wieder eine eigene Geschichte.

Von Marilis Kurz-Lunkenbein


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