Damit Länder wie Marokko und Tunesien ihre Bürger, die als Asylbewerber in Deutschland abgelehnt wurden, zurücknehmen, könnte man – wenn sie dem nicht entsprechen – deutsche Entwicklungshilfe kürzen. Die Idee klingt naheliegend, doch Experten warnen.
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Noch "geduldet": Dokument einer ausgesetzten Abschiebung. Die Rückführung abgelehnter Asylbewerber ist oft schwierig, zumal wenn das Herkunftsland unbekannt ist. Foto: dpa |
Die Idee köchelt in den politischen Debatten schon länger. Seit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt durch den Tunesier Anis Amri, der Behörden als „Gefährder“ bekannt war, ist sie wieder populär. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), SPD-Chef Sigmar Gabriel und Justizminister Heiko Maas (SPD) liebäugeln mit der Forderung. Eine gute Idee, wert diskutiert zu werden oder steckt politischer Aktionismus dahinter?
Innerhalb der ausreisepflichtigen Flüchtlinge ist die Gruppe, die aus den Maghreb-Staaten kommt, klein. 1800 Menschen zählen dazu – bei insgesamt 52 000 Ausreisepflichtigen –, wie Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sagt. Bislang allerdings tun sich Marokko, Tunesien und Algerien äußerst schwer damit, Flüchtlinge wieder aufzunehmen. Da haben Gespräche und etwa der Besuch von Innenminister de Maizière im vergangenen Februar nur wenig genützt. Nur 110 Menschen aus Deutschland sind in ihre Heimatländer zurückgekehrt.
Entwicklungshilfe ist auch in deutschem Interesse
Dennoch warnt Müller davor, Entwicklungshilfe als Druckmittel zu benutzen. „Sie ist auch im deutschen Interesse, weil sie die Länder stabilisiert und damit Fluchtursachen beseitigt.“ In Tunesien etwa fördert Deutschland neben Umwelt- und Ressourcenschutz, Wirtschaftsentwicklung und erneuerbaren Energien vor allem die berufliche Bildung von Jugendlichen. Seit den 1960er Jahren hat das Land insgesamt 1,5 Milliarden Euro erhalten.
Dass aber etwas getan werden muss, um die Situation zu klären, ist unbestritten. Der Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, Dirk Messner, hält Sanktionen durchaus für legitim. Sie müssten sich aber gezielt gegen die Regierungen richten, wie etwa eine Kürzung der Exportförderung. Die arme Bevölkerung dürfe von solchen Maßnahmen nicht getroffen werden.
Kirchen sehen Kürzungen kritisch
Bedenken gegen Kürzungen haben aber auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sowie die Kirchen: „Mittelkürzungen sind kontraproduktiv und das falsche Signal“, so der Vorsitzende der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, Karl Jüsten.
Sein evangelischer Amtskollege Martin Dutzmann stimmt zu: „Als christliche Kirchen fordern wir, dass dort geholfen wird, wo die Not am größten ist. Innenpolitische Interessen dürfen kein Kriterium für entwicklungspolitische Weichenstellungen sein.“ Entwicklungshilfeminister Müller plädiert für Verhandlungen über Rückführungsabkommen und mahnt, auch Deutschland müsse seine Hausaufgaben machen: „Marokko und Tunesien fordern zu Recht, dass die Herkunft zurückgewiesener Flüchtlinge eindeutig festgestellt wird.“
Von Kerstin Ostendorf