Männer sind anders als Frauen. Deshalb lädt die evangelische Gemeinde Bergedorfer Marschen in Hamburg dreimal im Jahr ein zum Frauenverwöhnabend „Erdbeeren mit Sahne“ und zum Männerfrühstück „Rührei mit Schinken“. Das kommt an.
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Kein Winterdessert, aber im Sommer wäre solch ein Nachtisch durchaus ein leckerer Aufhänger für spezielle Angebote in einer Gemeinde. Foto: istockphoto |
Vor dem Altar leuchtet ein Meer von Teelichtern. „Sieht das wieder schön aus“, schwärmt Gabi beim Betreten der Franz-von Assisi-Kirche. „Die Atmosphäre ist wirklich toll“, antwortet ihre Freundin, die zum ersten Mal dabei ist. Im Eingangsbereich begrüßen die Initiatorinnen, Ehrenamtlerin Claudia Ernst und Pastorin Irmela Redhead, jeden Gast. Denn alle sollen sich willkommen fühlen. „Darf es was zu trinken sein?“, fragt Claudia Ernst. Und die Ankommenden können wählen zwischen Prosecco, Orangensaft oder einem Mix aus beidem.
Immer mehr Frauen, die Jüngsten um die 20, die Ältesten über 70 Jahre alt, finden den Weg in die Kirche. „Was uns wohl heute erwartet?“, flüstert Gabi. Kaum hat sie den Satz beendet, geht es schon los: In einem Gruppenraum der Kirche, die dank Schiebewänden vielseitig zu nutzen ist, findet sich eine lange Tafel mit Stühlen an beiden Seiten. An jedem Platz liegen Zettel, Stift und Umschlag. „Wir möchten euch zu einem Speeddating einladen und ermuntern, eurem Gegenüber ein Kompliment aufzuschreiben“, sagt Claudia Ernst, „damit alle eine Tüte voller Komplimente mit nach Hause nehmen.“ Offen machen die Frauen das Experiment mit, notieren etwas Nettes, und die rechte Tischseite rückt bei jedem Gongschlag einen Sitz weiter. „Überraschung geglückt!“, meint Gabi.
Das Programm ist immer ein Geheimnis. Nur so viel wird auf der Gemeindehomepage verraten: „Ein Abend mit geistlichem Input, Wohltuendem für Leib und Seele und gemütlichem Beisammensein – genussvoll wie eine Portion Erdbeeren mit Sahne.“
Der griffige Titel geht zurück auf die erste Veranstaltung im Frühjahr 2005. Damals lautete das Thema „Unserer Hände Arbeit“. Clou war eine Schritt für Schritt angeleitete gegenseitige Handmassage mit Öl und Pflegecreme. Um den Genuss perfekt zu machen, gab es Erdbeeren mit Sahne. Von da an hieß das Angebot „Erdbeeren mit Sahne“, und der Appetit auf Mehr wuchs. Zu Anfang kamen bis zu 60 Personen, mittlerweile hat sich der Kreis auf 30 bis 35 eingependelt.
„Wir wollen, dass kein Abend ist wie der andere, und lassen uns davon leiten, worauf wir als Frauen Lust haben“, erklärt Pastorin Redhead. Einen roten Faden gibt es dennoch: Nach der Begrüßung stimmt ein szenisches Anspiel ins Thema ein: Danach folgen kreative Aktionen wie Basteln oder Malen und schließlich Wohlfühlangebote wie Massage, Fußbad, Maniküre, Meditation, Bewegung. Meistens gestaltet das erfahrene Duo das Programm selbst, manchmal helfen Externe. So neulich eine Bauchtänzerin, die alle in orientalische Tanzkunst einführte.
Nach dem Schlusssegen gibt es ein kleines Andenken – einen besinnlichen Spruch im Visitenkartenformat. „Ich habe schon das ganze Portemonnaie voll“, freut sich Gabi und liest ihren Lieblingssatz vor von Elisabeth Moltmann-Wendel: „Ich bin gut, ich bin ganz, ich bin schön, weil Gott keinen Mist baut.“
Männer mögen lieber Rührei mit Schinken
Im Gemeindesaal der benachbarten „Festeburg“ duftet es nach Kaffee und gebratenem Schinken. 15 Männer lassen sich das Frühstück schmecken. Es wird gelacht und geredet über Gott und die Welt. Kurz vorm Abräumen meldet sich Pastor Thomas Heß zu Wort, der auch die jüngste Veranstaltung „Rührei mit Schinken“ leitete und seit September im Ruhestand ist.
„Heute soll es ja um Vertrauen gehen“, sagt er. Einige Männer aus dem Vorbereitungsteam nicken. Andere kramen noch mal die Einladung heraus, auf der das Thema angerissen ist. „Die Sonne scheint, lasst uns doch rausgehen“, fordert der Pastor freundlich auf. „Hauptsache nicht Malen“, kommentiert ein Teilnehmer, denn Kreatives kommt bei vielen nicht an. „Keine Bange!“, beschwichtigt der Theologe, „wir probieren mal was. Alles ganz freiwillig!“ Draußen lassen sich einige auf das Abenteuer ein, mit verbundenen Augen geführt zu werden. „Das kann ich gar nicht haben“, meint ein Mann und reißt sich den Schal von den Augen. „Willst du mich mal führen?“, bietet Heß an, und das klappt erstaunlich gut.
Wieder drinnen geht die Gruppe der Frage nach: Wie ist es mir bei dieser Übung ergangen? Die Reflektion verläuft eher schleppend und ist schnell abgeschlossen. Und dann geht es endlich um das, was diesem Kreis seit Jahren besonders gefällt: Männergestalten in der Bibel. Dazu hat Heß die Erzählungen „Vom Saulus zum Paulus“ und „Der ertrinkende Petrus“ in eigenen Worten aufgeschrieben und zum Mitnehmen schön gestaltet ausgedruckt. Drei Teilnehmer tragen die Texte vor. „Und nu?“, fragt der Geistliche und schaut in die Runde. Nach erstem Zögern kommt die Diskussion in Gang. Und schließlich drückt ein Teilnehmer aus, was manche denken: „Die meis-ten Männer in der Bibel sind gar keine Helden, sondern so wie du und ich. Gut zu erfahren: Brüche im Leben sind keine Katastrophe, denn Gott hilft bei einem neuen Anfang.“
Beide Veranstaltungen dauern etwa zweieinhalb Stunden, die Kosten trägt die Gemeinde.
Von Heike Sieg-Hövelmann