Verleumdung des Glaubens oder respektvolle Höflichkeit? Haben die deutschen Bischöfe mit dem Ablegen des Brustkreuzes auf dem Tempelberg richtig gehandelt? Ein Kommentar von Roland Juchem.
Während ihres Besuches auf dem Jerusalemer Tempelberg am 20. Oktober haben Kardinal Marx und Landesbischof Bedford-Strohm vor dem Betreten der Al-Aksa-Moschee ihre Brustkreuze abgenommen, die sie dort zuvor noch getragen hatten. Andere Bischöfe hatten das vorher schon getan – aufgrund von Bitten der Gastgeber. Delegationsteilnehmer sahen darin allenfalls eine verständliche Maßnahme, Eskalationen vorzubeugen.
Erst Anfang November, zwei Wochen später, kritisierte der jüdische Historiker Michael Wolffsohn in einem Beitrag für die „Bild“ diese Geste als „Unterwerfung“. Andere Kolumnisten folgten. Nutzern kleinerer Internetforen war der Unterschied auf Pressefotos auch aufgefallen.
Beim Besuch der Klagemauer, dem jüdischen Heiligtum, blieben die Brustkreuze der Bischöfe ebenfalls abgelegt. Fragen wuden gestellt: Wer hat das gefordert? Und warum?
Die Situation am und auf dem Tempelberg/Haram asch-Scharif, dem religionspolitisch brisantesten Ort der Welt, ist eine andere als an anderen Orten. Insbesondere Mitte Oktober war die Lage dort sehr angespannt.
Zwar gibt es von israelischen Sicherheitsbehörden aus keine Auflage, vor der Tempelmauer ein christliches Kreuz abzulegen. Doch der Rabbiner, der die Kirchenführer vor Ort begleitete, hatte ihnen dazu geraten. Tags zuvor war dort ein Bischof von Jugendlichen bespuckt worden. Kein Einzelfall, berichten auch Mönche in Jerusalem.
Übrigens: Der Papst trägt sein Brustkreuz überall, weil er protokollarisch – anders als Bischöfe – als Staatsoberhaupt gilt.
„Mehr Kreuz zeigen“ ist eben nicht automatisch „mehr Christentum“. Es geht nicht um „Product Placement“, schon gar nicht dort, wo religiöse Symbole als Machtkampf und Reviermarkierung aufgefasst werden. So etwas hat mit Christentum nichts zu tun. Natürlich wäre es besser, könnten Christen ihr Kreuz überall offen tragen. Wer es als Symbol seines Glaubens versteht und ablegt, sollte gute Gründe haben. Die waren am 20. Oktober gegeben: den Radikalen keinen Vorwand zu geben.
Schade, dass die ökumenisch bedeutsame Reise im Nachhinein so überschattet wird. Denn die Heilig-Land-Pilger aus Deutschland konnten in ihrem Umgang durchaus zeigen – Beobachter vor Ort bestätigen das –, wie einst verbitterte Gegner heute friedlich und offen miteinander umgehen. Wie sollen die Konfliktbeteiligten vor Ort zueinanderfinden, wenn schon Gäste nicht ungestraft mit kleinen Zeichen auf den anderen zu- und so vielleicht mit gutem Beispiel vorangehen?
Von Roland Juchem