Am Freitag beginnen in Rio de Janeiro die XXXI. Olympischen Sommerspiele, unter weniger rosigen Vorzeichen. Auch wenn die Ersatzreligion dieser Zeit hinter den olympischen Idealen zurückbleibt, bietet sie faszinierende Leistungen, friedliche Völkerbegegnung und viel Menschlichkeit.
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Große sportliche Wettkämpfe haben mitunter etwas Sakrales, Breitensport durchaus etwas Spirituelles. Grafik: S. Jeglizcka/VBP |
„Es lebe der Sport. Er ist gesund und macht uns hoart“, sang der Wiener Liedermacher Rainhard Fendrich in den 1980er Jahren. „Er gibt uns Kraft, er gibt uns Schwung. Er ist beliebt bei Alt und Jung“, ironisiert er die Schadenfreude vieler Fans. Ihrer Aggressionen und Sensationslust nimmt der Sport sich ebenfalls an. Wirkt doch „a jede Sportart mit der Zeit a bisserl öd, wenn es an Härte fehlt.“
Der französische Adelige Pierre de Coubertin hatte anderes im Sinn, als er 1896 in Athen die Olympischen Spiele der Neuzeit ins Leben rief: „In der Verbindung des Sports mit Kultur und Erziehung soll ein Lebensstil entwickelt werden, der Freude an der Leistung mit dem erzieherischen Wert des guten Beispiels und dem Respekt vor universalen und fundamentalen ethischen Prinzipien verbindet.“ Das Motto „schneller, höher, weiter“ stammt übrigens von dem Dominikanerpater Henri Didon, der damit seine Schüler bei einem Schulsportfest zu besseren Leistungen antrieb.
Avery Brundage, früherer Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, verkündete in den
1950er Jahren: „Die Olympische Bewegung ist eine Religion mit universalem Anspruch … Eine moderne, dynamische Religion, attraktiv für die Jugend … Hier gibt es keine Ungerechtigkeit der Kaste, der Rasse, der Familie, des Geldes.“
Olympia - keine Angelegenheit für Amateure
Nun ja. Seit den 1990er Jahren sind auch die Olympischen Spiele keine Angelegenheit von Amateuren mehr. Und nicht nur Fußball ist ein Milliardengeschäft. Fendrichs Landsmann Dietrich Mateschitz („Red Bull“) hat die Vermarktung des Spitzen- wie des Breitensports in ganz neue Höhen getrieben. So wurde Sport noch mehr zur Volksreligion der Neuzeit. Über seine religiösen Elemente wie Hymnen, Zeremonien und die Ekstase der Akteure wie Zuschauer ist viel geschrieben worden.
Gleichwohl kann er eine religiöse Hoffnung, die auf Frieden, nur ansatzweise erfüllen. In gewisser Weise fangen Sportwettkämpfe nationale Konkurrenzen und individuelle Aggressionen auf, leiten sie in Bahnen, die von Wettkampfregeln befriedet sind. Andererseits kann „der Sport keinen Krieg verhindern, sonst hätte es wahrscheinlich keinen gegeben“, so Franz Beckenbauer 2003 mit Blick auf den Irakkrieg.
Verloren sind die Anliegen von Frieden, Fairness und Verständigung jedoch nicht. Auch zu den Spielen in Rio finden Jugendbegegnungen statt, bietet etwa die Deutsche Olympische Akademie reichhaltiges Unterrichtsmaterial rund um Sport, Fairness und Verständigung an.
„Heiterkeit auf der Tribüne, das ist doch am Sport das Schöne“, singt Fendrich. Das darf man auch ganz unironisch verstehen. Freuen wir uns also auf bewundernswerte Leistungen, sympathische Erfolge, kuriose Einlagen und versöhnende Gesten.
Von Roland Juchem