Mit kräftiger Stimme gibt Maren Rengelshausen Anweisungen. Konzentriert lenkt die zwanzigjährige Jasmin den Rappen Peter nach rechts, reitet im Dressurviereck einen weiten Zirkel. Dann kommt das Kommando: „Langsam antraben!“
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„Aufgeregt war ich nicht, aber konzentriert“, sagt Jasmin. Sicher absolviert sie mit ihrem Pferd die Dressurprüfung im Schritt und im Trab. Fotos: Deppe |
Jasmin ist eine von rund 5000 Athleten, die bei den nationalen Special Olympics in Hannover angetreten sind, sozusagen bei der Deutschen Meisterschaft geistig beeinträchtigter Menschen.
Während in den Wettkampfstätten rund um die HDI-Arena gelaufen, Fußball gespielt, gesprungen oder geschwommen wird, sind die Reiter zu Gast auf dem Gelände des Reitvereins Hannover. Die Athleten treten hier in den Disziplinen Dressur, Springen und Voltigieren an.
Körperbeherrschung und Selbstsicherheit
Michelle und Jan (beide 18) haben ihre Prüfung bereits absolviert. Wie Jasmin gehören sie zur Mannschaft der Reittherapie der Heimstatt Röderhof, einer Einrichtung des Caritasverbandes Hildesheim. Nun stehen sie mit Delegationsleiter Thomas Nölkensmeier und Susanne Schmitt, der Leiterin der Reittherapie, an der Seite. Gespannt schauen sie zu, wie Jasmin souverän ihre Zirkel reitet. „Noch vor einem Jahr hätte niemand gedacht, dass sie das hinbekommt. Durch das Reiten ist sie stark geworden und über sich hinausgewachsen“, sagt Schmitt.
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Der Blickkontakt mit Susanne Schmitt ist für den zwölfjährigen Jason wichtig – er gibt dem jungen Voltigierer Sicherheit. |
Nur wenige schaffen es vom Therapiereiten bis in die Wettkampfarena, um sich wie hier mit geistig oder psychisch gehandikapten Teilnehmern zu messen oder bei Regelwettkämpfen – also ganz normalen Turnieren – anzutreten. „Aber darauf kommt es beim Therapiereiten auch nicht an. Es geht um Körperbeherrschung, das Gleichgewicht zu halten, Ängste zu überwinden und Selbstsicherheit zu gewinnen“, betont Schmitt.
„Linkswende und dann im starken Schritt einmal durch die ganze Bahn“, kommt die Anweisung von Maren Rengelshausen. Angespannt begutachtet die Trainerin die Bewegungen von Pferd und Reiterin. „Nach so einem Wettkampftag bin ich kaputter, als wenn ich selbst geritten wäre“, verrät sie. Zusammen mit ihren Schützlingen freut sich die Trainerin und Reittherapeutin: „Die haben heute alle drei eine super Leistung gezeigt.“
Die Trainerin immer fest im Blick
Die meisten Reiter in Röderhof fangen mit dem Voltigieren an. „Da haben wir gerade einen Komplettwechsel hinter uns und treten mit einer ganz jungen Mannschaft an“, erzählt Schmitt, während sich die Voltigierer für ihren ersten großen Wettkampf warm machen. Donna das „Volti-Pferd“ ist da keine Ausnahme. Langsam zieht es an der Longe Runde für Runde, spitzt die Ohren, wenn die Zuschauer den vorführenden Gruppen applaudieren.
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Sie freuen sich über einen 4., einen 5. und einen 2. Platz: (von links) Jasmin, Michelle, Trainerin Maren Rengelshausen und Jan. |
Dann geht es los: Susanne Schmitt geht neben Donna her hilft den jungen Voltigierern beim Aufsteigen, gibt kleine Hinweise – ist einfach da. Die Mädchen und Jungen haben ihre Trainerin fest im Blick, holen sich von ihr Kraft und Sicherheit. Und sie werden mit einem aufmunternden Lächeln belohnt. „Es ist eine so schöne Arbeit mit diesen geistig beeinträchtigten jungen Menschen. Und sie geben einem soviel zurück an Dank und Zuneigung.“
Nach dem Wettkampf umarmt Schmitt die Mädchen und Jungen. Deren Augen strahlen. Sie sind glücklich und ein bisschen Stolz. „Dass dürfen sie auch, denn sie haben wieder einmal gezeigt, dass sie etwas können, was nicht jeder kann. Sie haben eine tolle Leistung abgelegt, egal, was in Punkten dabei letztendlich herauskommt“, findet die Leiterin der Reittherapie.
Edmund Deppe