Im Neuen Testament fällt auf: Immer wieder spielen die Frauen eine bedeutende Rolle. Jesus war - für seine Zeit - ungewöhnlich frauenfreundlich.
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Eine Filmszene aus "Die größte Geschichte aller Zeiten (1965)": Jesus zieht in Jerusalem ein. Begleitet wurde er auf seinen Wanderungen auch von Frauen. Foto: wikicommons |
In der Langfassung des Sonntagsevangeliums ist von einigen Frauen die Rede, die Jesus auf seiner Wanderschaft begleiteten. Und gerade weil das Neue Testament von Männern geschrieben und dort schwerpunktmäßig von Männern die Rede ist: Dass immer wieder Frauen eine bedeutende Rolle spielen, fällt schon auf – zumal in Geschichten aus einer Zeit, in der „die Frau an sich“ rechtlich im Range eines Sklaven stand. In Anbetracht dieser Situation war Jesus ungewöhnlich frauenfreundlich.
Dass die Evangelien überhaupt Frauen erwähnen – und das namentlich – ist keine Selbstverständlichkeit. Denn erstens ist antike Geschichtsschreibung eine männliche Domäne: Männer schreiben für Männer über Männer; Frauen kommen nur vor, wenn sie Königinnen sind (Cleopatra, Nofretete) oder mitunter als Gattin (oder Geliebte) eines Mächtigen.
Und zweitens galten Frauen in dieser Zeit nicht als eigenständige Personen, sie waren rechtlich und wirtschaftlich abhängig von Vater, Ehemann, Bruder oder Sohn. Bezeichnungen wie „Tochter des Jaïrus“ oder „Mutter der Zebedäussöhne“ waren deshalb durchaus üblich. Dass die Evangelisten dennoch die Namen von etwa zehn Frauen nennen, spricht dafür, dass diese in den jungen christlichen Gemeinden namentlich bekannt waren und eine gewisse Bedeutung hatten. Entweder aktuell oder als Teil der überlieferten Jesusgeschichte.
Waren diese Frauen tatsächlich „Jüngerinnen“?
Über diese Frage kann man trefflich streiten – und Bibelwissenschaftler tun das auch. Zum einen gilt: An keiner Stelle in den Evangelien wird eine Frau mit dem Titel „Jüngerin“ (griech. mathetria) bezeichnet. Andererseits wird mit Ausnahme des „Lieblingsjüngers“ Johannes auch kein einzelner Mann als „Jünger“ (griech. mathetes) bezeichnet. Der Begriff steht nämlich stets im Plural und bezeichnet immer die gesamte Jüngergruppe um Jesus. Und wie auch im Deutschen – zumindest bisher – Gruppen von Männern und Frauen mit dem männlich konstruierten Wort im Plural bezeichnet werden (Leser, Studenten, Christen) so ist es auch im Griechischen. Deshalb entpuppen sich Gruppen wie „Jünger“ und „Brüder“ auch in der Bibel als solche, die selbstverständlich Frauen einschließen. Deshalb: Ja, Frauen waren „Jüngerinnen“.
Zogen die Frauen auch mit Jesus umher?
Auch hier kann man keine eindeutige Antwort geben. Es wird sicher Frauen gegeben haben, die zu Hause blieben, um die Familie zu versorgen und nur dann in Erscheinung traten, wenn Jesus auf seinen Wanderungen in der Nähe ihres Dorfes Station machte. Vermutlich kam ihnen dann in erster Linie die Aufgabe zu, Jesus und seinen Jüngern Herberge und Versorgung zu bieten – man kann es auch „Gastfreundschaft“ nennen.
Aber es gab wohl auch Frauen, die tatsächlich heimat- und besitzlos mit Jesus umherzogen. Darauf weist beispielsweise das heutige Sonntagsevangelium hin („In der folgenden Zeit wanderte Jesus von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf ... Die Zwölf begleiteten ihn, außerdem einige Frauen.“) Auch die Kreuzigungsszene im Markusevangelium lässt das vermuten, wenn es heißt: „Auch einige Frauen sahen von weitem zu, darunter Maria aus Magdala, Maria, die Mutter von Jakobus dem Kleinen und Joses, sowie Salome; sie waren Jesus schon in Galiläa nachgefolgt und hatten ihm gedient.“ (Mk 15,40–41). Denn „nachfolgen“ ist für Markus ein Spezialbegriff, der sich tatsächlich auf die Menschen bezieht, die als „Jünger“, also „Schüler“, mit ihm zogen.
Welche Aufgaben hatten die Frauen im Gefolge Jesu?
Einkaufen und kochen? Vielleicht. Warum auch nicht? Aber sicher nicht nur. Denn zum einen haben sie die Jesusbewegung wohl mitfinanziert – die Stelle aus dem heutigen Evangelium weist darauf hin: „Sie alle unterstützten Jesus und die Jünger mit dem, was sie besaßen.“ Das kann wenig oder viel gewesen sein, Geld oder Sachmittel. Jedenfalls scheinen sie ernst gemacht zu haben mit der „Armut um des Himmelreiches willen“, mit der „Ethik des Teilens“, die Jesus immer wieder einfordert. Anders als der „reiche Mann“, der „traurig wegging“, als Jesus ihn aufforderte sein Hab und Gut zu verschenken, wenn er ihm nachfolgen will (Lukas 18,18–25), scheinen Frauen weniger Probleme mit dem Verzicht gehabt zu haben.
Zum anderen legte Jesus – und das ist außergewöhnlich – Frauen nicht auf die traditionelle Rolle im Haushalt fest. Davon erzählt die Geschichte von Marta und ihrer Schwester Maria (Lk 10,38–42). „Sie zogen zusammen weiter und er kam in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn freundlich auf.“ Während Marta die Gruppe versorgte, „setzte sich Maria dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.“ Und als Marta sich bei Jesus beschwerte und Marias Hilfe einforderte, antwortete der lapidar: „Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden.“ Mit anderen Worten: Studium ist manchmal wichtiger als Hauswirtschaft – auch für Frauen. Und das dachten (damals) nicht viele Männer.
Weiß man Genaueres über die Frauen im Gefolge Jesu?
Es ist wie bei den Männern auch: Viel weiß man nicht über die geschichtlichen Personen. Zum Beispiel die Frauen, die heute genannt werden: Susanna wird nur ein einziges Mal erwähnt – nämlich hier. Johanna, näherhin beschrieben als „Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes“, kommt zweimal vor: hier und in Lukas 24,10 als eine der Frauen, denen die Engel am leeren Grab erschienen sind und die die „frohe Botschaft“ zu den Aposteln trugen. „Diese aber hielten das alles für Geschwätz.“ (24,11)
Mit Abstand am meisten ist über Maria Magdalena bekannt. Ihre Benennung über ihren Herkunftsort Magdala lässt darauf schließen, dass sie nicht verheiratet war und unabhängig von ihrer Familie wahrgenommen wurde, denn sonst wäre sie sicher einem männlichen Familienmitglied zugeordnet worden. Zu Jesus kam sie, weil er ihr „sieben Dämonen ausgetrieben“ hatte. Zur „Sünderin“ oder gar zur Lebensgefährtin Jesu wurde sie erst Jahrhunderte später. Sicher ist dagegen, dass sie eine bedeutende Rolle in der frühen Kirche einnahm. Jeder kannte sie.
Wie ging es weiter mit den Frauen in der frühen Kirche?
Entscheidend war, dass die Frauen nach dem Zeugnis der Evangelien diejenigen waren, die unter dem Kreuz ausharrten und die ersten Zeuginnen der Auferstehung waren. Sie trugen maßgeblich dazu bei, dass die Jesusbewegung nicht im Sande verlief. Weil Jesus sie anerkannte, haben sie in der jungen Kirche verkündet, geleitet, Zeugnis gegeben. Die Verdrängung von Frauen aus der gleichberechtigten Mitarbeit ist eine nachbiblische „Errungenschaft“.
Von Susanne Haverkamp