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Mehr Barmherzigkeit und Realismus

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Papstschreiben "Amoris laetitia" veröffentlicht

Der Vatikan hat das Abschlussdokument der Weltbischofssynode veröffentlicht: Papst Franziskus fordert mehr Barmherzigkeit.

Am 20. April soll "Amoris laetitia" auf Deutsch mit Stichwortverzeichnis und weiteren Einführungen erscheinen. Foto: kna-bild

Papst Franziskus will mehr Barmherzigkeit in der Anwendung der kirchlichen Morallehre zulassen; grundsätzlich hält er aber an den geltenden Normen zu Ehe und Familie fest. Priester und Bischöfe dürften moralische Gesetze nicht anwenden, "als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft", heißt es in seinem Schreiben über Ehe und Familie, das am Freitag im Vatikan vorgestellt wurde.

Oft sei Barmherzigkeit für Menschen, die in Widerspruch zur katholischen Lehre lebten, in der Kirche an zu viele Bedingungen geknüpft, schreibt der Papst in dem Dokument mit dem lateinischen Titel "Amoris laetitia" (Freude der Liebe). Das sei "die übelste Weise, das Evangelium zu verflüssigen". 

Franziskus sieht eine Einheit von Lehre und Praxis in der Kirche zwar als notwendig an. Das schließe jedoch keineswegs aus, dass "verschiedene Interpretationen" einzelner Aspekte der Lehre fortbestünden oder auch "einiger Schlussfolgerungen, die aus ihr gezogen werden". Zur umstrittenen Frage der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion äußert sich der Papst in dem Schreiben nicht direkt; auf das Thema Homosexualität geht er nur kurz ein.
 

Mehr Respekt vor der Gewissensentscheidung

Grundsätzlich fordert Franziskus von der katholischen Kirche mehr Respekt vor der Gewissensentscheidung des Einzelnen in moralischen Fragen. Zudem sei stets eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls und eine Güterabwägung nötig. Die Kirche müsse "klar ihre objektive Lehre zum Ausdruck" bringen, dürfe jedoch zugleich nicht "auf das mögliche Gute" verzichten, "auch wenn sie Gefahr läuft, sich mit dem Schlamm der Straße zu beschmutzen". 

Zugleich stärkt Franziskus die Rolle der Ortskirchen und der einzelnen Bischöfe. Er gesteht ihnen in dem Schreiben mehr Eigenständigkeit und Interpretationsspielraum in der Anwendung der kirchlichen Lehre zu.  

Nicht "alle doktrinellen, moralischen oder pastoralen Diskussionen" müssten durch "ein lehramtliches Eingreifen entschieden werden", so der Papst. Oft könnten in den jeweiligen Ländern und Regionen besser "inkulturierte Lösungen" gefunden werden, "welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen", heißt es in dem Schreiben. Konkrete Beispiele nennt Franziskus nicht. 

Der Papst bemängelt weiter eine "übertriebene Idealisierung" der Ehe durch die Kirche und mahnt eine realistischere Sicht an. Häufig habe sie ein "allzu abstraktes theologisches Ideal der Ehe" vertreten. 

Mit Blick auf wiederverheiratete Geschiedene deutet der Papst an, dass im Zuge einer Güterabwägung ein Kommunionempfang im Einzelfall möglich sein könnte, auch wenn die Betroffenen in ihrer zweiten Beziehung nicht sexuell enthaltsam lebten. Die geltende kirchliche Lehre nennt ein solches Zusammenleben "wie Bruder und Schwester" als Bedingung für den Kommunionempfang. 

Franziskus verweist darauf, dass Enthaltsamkeit die Treue der Partner und das Kindeswohl gefährden könnten. Der Papst betont jedoch, dass er für den Umgang mit den Betroffenen keine allgemeinverbindliche Norm geben wolle; er ermutigt zu einer "verantwortungsvollen persönlichen und pastoralen Unterscheidung der je spezifischen Fälle".
 

Schreiben als Abschluss der Weltbischofssynode

Mit seinem sogenannten nachsynodalen Apostolischen Schreiben, das in der deutschen Fassung 185 Seiten lang ist, schließt der Papst die Weltbischofssynode über Ehe und Familie ab, die im Oktober 2015 im Vatikan tagte.

Auf den Umgang mit Homosexuellen und gleichgeschlechtlichen Paaren, der unter den Bischöfen ebenfalls besonders umstritten war, geht der Papst nur kurz ein. Er bekräftigt, dass gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht der Ehe angeglichen werden dürften. Zugleich betont er, dass auch solche Formen des Zusammenlebens den Betroffenen "einen gewissen Halt geben". 

In dem Schreiben äußert sich der Papst zu zahlreichen weiteren Themen aus dem Bereich Ehe und Familie, von der staatlichen Geburtenkontrolle über die grundsätzliche Offenheit von Sexualität für die Weitergabe des Lebens und der Erziehung von Kindern im christlichen Glauben bis hin zu Gewalt gegen Frauen. Darunter findet sich etwa auch eine Verteidigung der Emanzipation der Frau und des Feminismus gegen innerkirchliche Kritiker. 

Das Dokument bildet den Abschluss einen zweieinhalbjährigen Diskussionsprozesses in der katholischen Kirche. Er begann Ende 2013 mit einer weltweiten Umfrage unter Katholiken. Im Herbst 2014 und 2015 befassten sich zwei Weltbischofssynoden mit dem Thema Ehe und Familie.

kna

Das Schreiben in deutscher Sprache finden Sie hier.


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