... eine Mauer zu bauen, sagte Walter Ulbricht einst. Heute lügt niemand so unverhohlen - es wird fleißig gebaut. Dabei müssen wir die Mauern in den Köpfen einreißen, schreibt Kerstin Ostendorf in ihrem Kommentar.
... eine Mauer zu errichten, sagte DDR-Staatschef Walter Ulbricht 1961. Heute lügt niemand mehr so unverhohlen, es wird gleich gebaut: 175 Kilometer lang und drei Meter hoch – das sind die Maße, der neuen „ungarischen Mauer“. Der Grenzzaun soll den Strom von Flüchtlingen aus Serbien stoppen. Und die Ungarn sind nicht die einzigen Baumeister: Die Ukraine errichtet einen 2000 Kilometer langen Sperrzaun zur russischen Grenze. Statt dem „Festival der Völkerfreundschaft“ gibt es jetzt Stacheldraht zwischen Russland, Weißrussland und der Ukraine. Und Donald Trump, Milliardär und Bewerber zum Präsidentschaftskandidaten der US-Republikaner, hat ganz eigene Vorstellung, wie man die „Illegalen“ aus Mexiko zurückhalten könne: Ein Zaun reicht nicht, eine Mauer muss her. Die Welt verschanzt sich.
In Deutschland wird viel diskutiert – über Flüchtlinge, eine gerechte Verteilung und sichere Herkunftsstaaten. Bislang gelten Serbien, Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina als sicher. Das heißt: Menschen werden in diesen Ländern nicht politisch verfolgt, Flüchtlinge haben kaum eine Chance auf Asyl in Deutschland. Und doch kommen immer mehr Menschen hierher. Daher wächst die Zustimmung der Politiker, auch das Kosovo, Albanien und Montenegro zu sicheren Staaten zu erklären. Eine schnellere Bearbeitung der Anträge und Abschiebung wäre dann möglich.
Dabei sind die Fluchtgründe vieler Menschen vom Balkan verständlich. Es ist ihr Weg aus Armut, Korruption und Perspektivlosigkeit. Ein ähnliches Elend trieb unsere Vorfahren im 19. Jahrhundert massenhaft in andere gelobte Länder, nach Australien und Amerika. Die Grenzen waren offen. Die Grenzen der EU sind es noch. Vizekanzler Sigmar Gabriel warnte jüngst, dass die ungleiche Verteilung von Flüchtlingen die Freizügigkeit der EU gefährde. Sollte sich an der Regelung nichts ändern, würden viele Länder fordern „die alten Grenzen hochzuziehen“.
Vor 25 Jahren feierte Deutschland die Wiedervereinigung, ein Land im Glücksrausch. Die Welt jubelte mit, die Mauern schienen verschwunden, der Eiserne Vorhang verrostet. Was ist daraus geworden? Deutschland kann nicht alle Menschen aufnehmen, doch wir können uns auch nicht hinter neuen Mauern verstecken.
Um die Zuwanderung aus den Balkanstaaten einzugrenzen, brauchen die Länder Hilfe beim Aufbau von Infrastruktur und der Beseitigung von Korruption und Misswirtschaft. Auch wenn wir in Deutschland noch keinen echten Mörtel anrühren – die Mauern in unseren Köpfen müssen wir wieder abreißen.
Von Kerstin Ostendorf