Krank zu sein, alt zu sein – das kostet Kraft. Es kostet diejenigen Kraft, die krank sind, aber auch die, die sie pflegen und begleiten. Wie kann man erschöpfte Kraftreserven wieder auffüllen?
![]() |
In solchen Gefäßen wird die Kommunion zu den Kranken gebracht. Foto: kna-bild |
Hans-Ludwig Goedereis ist seit 32 Jahren Diakon. Genauso lange bringt er die Kommunion zu Alten und Kranken. Zum Beispiel zu der Frau, die jahrzehntelang treue Kirchgängerin war. Aber irgendwann fesselte eine Krankheit sie ans Haus. „Als ich zum ersten Mal dorthingekommen bin“, erzählt Goedereis, „hat sie bitterlich geweint. Es tat ihr so weh, dass sie nicht mehr zur Kirche kommen kann.“ Immer noch ist der Diakon berührt, wenn er daran zurückdenkt. „Mir kamen selber die Tränen“, sagt er. „Und dann habe ich gesagt: ‚Dieser Christus, zu dem Sie so lange gegangen sind, der kommt jetzt zu Ihnen.‘“
In der Gemeinde im ländlichen Hollage, in der Goedereis ehrenamtlicher Diakon ist, wird die Krankenkommunion an den hohen Feiertagen und am Herz-Jesu-Freitag verteilt. „Für viele Kranke ist das eine Verbindung zur Gemeinde“, sagt er. „An Feiertagen werden bei uns die Kommunionhelfer in der Messe ausgesandt.“ Die Gefäße mit den Hostien liegen während der Messe auf dem Altar; am Ende der Messe holen die Kommunionhelfer sie und machen ihre Hausbesuche. „Es sind Hostien, die an diesem Festtag für die Kranken konsekriert werden“, betont Goedereis. „Unsere Kranken wissen: Die Hostien kommen aus der Gemeindemesse.“
Aber natürlich geht es vor allem um die Verbundenheit mit Christus und um die Kraft, die dieses Brot schenkt. „Steh auf und iss, sonst ist der Weg zu weit für dich“, sagt der Engel dem Propheten Elija. Hans-Ludwig Goedereis kennt auch dafür Beispiele. Etwa das engagierte Gemeindemitglied, das schwer an Krebs erkrankt. Seine Frau pflegt ihn – und das ist schwer. „Es ist so schön, dass du kommst“, hätten beide immer wieder gesagt, erzählt der Diakon. „Genossen“ hätten sie den kurzen Gottesdienst zu Hause. „Jesus kümmert sich um mich, wenn ich nicht mehr kommen kann“ – dieses Gefühl hätte in den schweren Stunden geholfen, Kraft gegeben für den Weg, der in den Tod führt. „Die Krankenkommunion ist eine echte Wegzehrung“, betont Goedereis.
Wegzehrung für Kranke und für ihre Angehörigen
„Ich lade immer die Angehörigen ein, die Kommunion auch zu empfangen. Die brauchen das genauso“, sagt er und denkt dabei an die Schwiegertochter, die in Tränen ausbrach, als sie nach der Kommunionfeier den Diakon zur Tür begleitete. „Oft erkennen Bekannte oder Verwandte nicht wirklich an, was Pflegende leisten – körperlich und seelisch.“ Da kann die Kommunion „Manna“ sein in Wüstentagen und -wochen.
Viele, zu denen Goedereis kommt, haben sich auf den Besuch vorbereitet, Kreuz und Kerze stehen bereit. Aber zuerst wird geredet. Zum Beispiel mit dem Bauern um die 80, dessen Frau einen Schlaganfall erlitten hat, der beide ans Haus fesselt. „Ich habe sie auf Plattdeutsch begrüßt, da war das Eis sofort gebrochen.“ Auf dem Sofa geschnackt haben der Bauer und der Diakon, bis es dann hieß: „Wollen wir ein bisschen beten?“ Auf Hochdeutsch.
Die Liturgie gestaltet Goedereis weitgehend frei. „Ich versuche im Gebet die Situation, in der die Leute stecken, anzusprechen“, sagt er. Der kurze Bibeltext, die Fürbitten, der Friedensgruß, der Segen – das alles gehört dazu. Aber im Mittelpunkt steht die Kommunion. „Das ganze Drumherum der Messe fehlt, nur die Gegenwart Jesu zählt jetzt.“ Deshalb sei die Krankenkommunion auch mehr als ein Krankenbesuch. „Die Leute wollen natürlich mit mir reden, aber die Kommunion ist wichtiger.“
Und wie ist das mit Kranken, die dement sind? „Ich hatte da ein Erlebnis mit meiner eigenen Mutter“, erzählt Goedereis. Nach einem Schlaganfall war sie geistig weit weg. Als Goedereis den zuständigen Pfarrer bat, seiner Mutter die Kommunion und die Krankensalbung zu spenden, habe der gefragt: „Realisiert sie das denn noch?“ – „Da habe ich geantwortet: „‚Ja!‘, obwohl das nicht stimmte. Aber wenn wir glauben, dass Jesus in dem Brot gegenwärtig ist – und das glaube ich – dann ist es doch völlig egal, ob der Kranke das realisiert. Kraft schenkt dieses Brot trotzdem!“
Es ist ein Engel, der das Brot bringt
Gerade deshalb ist Hans-Ludwig Goedereis traurig, dass die Zahl derer, die die Krankenkommunion empfangen wollen, zurückgeht. „Zum Teil empfinden Angehörige oder auch professionell Pflegende das als zusätzlichen Termin“, vermutet er. Andere wollen den Pfarrer, der sowieso so viel zu tun hat, nicht belasten. Wieder andere seien vielleicht ein bisschen abergläubisch. „Wenn die Kommunion schon ins Haus kommt, dauert es nicht mehr so lange ...“ Dennoch: „Ich habe schon bei der Sozialstation und im Pflegeheim gebeten, die Kranken dran zu erinnern, dass wir gerne kommen!“
In der Bibel wird erzählt, dass es ein Engel ist, der Elija mit Speis und Trank versorgt. Empfinden die Leute Hans-Ludwig Goedereis auch als Engel? „Ja, ich glaube schon, dass manche Leute das so sehen“, lächelt er. Das spüre er auch in Alltagsbegegnungen, wenn er zum Beispiel Angehörige im Dorf oder im Supermarkt trifft. Engel, das sind eben Boten, die von der Nähe Gottes erzählen, von der Kraft, die er schenkt und von Jesus, dem lebendigen Brot.
Von Susanne Haverkamp