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Schauen, staunen, feiern

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Kirchenräume

Deutsche Innenstädte sind mitunter kaum zu unterschei-den: von McDonald‘s über Nordsee und Douglas geht es weiter zu H&M und Tchibo. Dazu Banken, Wohn- und Parkhäuser. Oft ragen allein Kirchen heraus aus dem Einerlei, die Kirche im Dorf sowieso.

Innenansicht der Minoritenkirche in Köln. Foto: kna-bild

Man muss nicht fromm sein, um angezogen zu sein von einer Kirche. Menschen rütteln an der Klinke, um zumindest einen Blick hineinzuwerfen oder etwas Ruhe zu suchen. Die evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg warb unlängst gar mit dem Slogan „Heißer Sommer – kühle Kirchen“. Umso ärgerlicher, wenn eine Kirche verschlossen ist. Da ringt die Gastfreundschaft der Gemeinde mit der Angst vor Vandalismus. Eine Kirche gibt dem Dorf, dem Stadtteil einen Mittelpunkt. So sind auch Nichtkirchgänger empört oder traurig, wenn ein Gotteshaus geschlossen wird.

Öffnet sich die Türe aber, empfangen den Besucher entweder Halbdunkel oder Farbenspiele, die bunte Fenster auf helle Wände werfen. Wer Zeit hat, setzt sich in die Bank und lässt den Blick wandern: Gewölbebögen folgt er in die Höhe und wieder herunter, bleibt hängen an einem Bild, einem Kreuz, einer Statue.

So vorhanden, zündet mancher, bevor er die Kirche wieder verlässt, eine Kerze an, schreibt etwas in ein ausliegendes Buch mit Bitten und Dankesworten. Der geübte Katholik taucht seine Fingerspitzen in das Weihwasserbecken.

Christlich-muslimische Kontaktgruppen berichten, dass sich andersgläubige Kirchenbesucher weniger für die Geschichte und Architektur des Gotteshauses interessieren. Vielmehr fragen sie, wozu dieser und jener Gegenstand in der Liturgie dient. Ähnlich wie Erstkommunionkinder, die während ihrer Vorbereitung die heimische Pfarrkirche erkunden.

 

Ein Raum, der die Perspektive weitet

Eine relativ neue Dienstleistung der Kirchen verbindet beides: Kirchenpädagogen erläutern das Besondere gotischer, barocker oder moderner Architektur wie auch die Funktion von Kanzel, Altar, Beichtstuhl oder Weihrauchfass.

Kirchen haben eine Ausstrahlung, die je nach Baustil und Geschmack des Besuchers anspricht und fasziniert oder doch irritiert. Nach Absicht ihrer Erbauer sollen sie Raum schaffen, sich zu besinnen, die Perspektive über Alltägliches hinaus zu weiten und eine Ahnung von Gott zu ermöglichen …

Historisch und architektonisch bedeutende Gotteshäuser bieten Besuchern informative Flyer, manche gar Kirchenführer-Apps fürs Smartphone. Und doch ist da etwas, das Burgen, Schlösser und Rathäuser nicht bieten: das Wissen darum, dass Menschen über Jahrhunderte oder doch Jahrzehnte hierhergekommen sind, um ihrem Glauben Ausdruck zu geben und ihrem Leben Sinn. Die das immer noch tun – mit den Hoffnungen und dem Jubel, mit der Angst und der Ratlosigkeit, die ihr Leben ausmachen. So bleibt eine Kirche immer ein Gebäude, das anders ist: in dem – allein oder als Gemeinde, still oder sangesstark – Gott gefeiert wird und nicht Umsatz oder Freizeit.

Von Roland Juchem


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