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"Gott hat mich gerettet"

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Entführung von Pater Alexis Prem

 Jesu Satz „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“ ist eine übermenschliche Herausforderung. Als Pater Alexis Prem entführt wurde, haben er und seine Mitbrüder sie angenommen. Erfolgreich.

Nach acht Monaten Entführung wird Pater Alexis Prem im 
Februar 2015 in Delhi begrüßt. Foto: imago

Warum genau er damals gekidnappt wurde, weiß Pater Alexis Prem Kumar bis heute nicht. Der indische Jesuit war für den Flüchtlingsdienst seines Ordens (JRS) im Westen Afghanistans im Einsatz, nahe der Großstadt Herat. An jenem Tag, dem 2. Juni 2014, besuchte er spontan eine Schule, die der JRS in einem Dorf 40 Kilometer westlich von Herat errichtet hatte. Mit einer Direktorin und Mädchen und Jungen in einer Klasse. Anscheinend hatten einige Dorfbewohner daraufhin die Taliban informiert. Die Männer mit Kalaschnikows nahmen ihm Tasche, Handy und Ausweis ab. Umsehen durfte er sich nicht – sonst würde er erschossen. Später, bei einem kurzen Stopp, wurden sie von Kindern umringt. Ein Junge blickte den Pater an und strich sich mit dem Finger über den Hals: „Du bist tot.“

„In dem Moment habe ich nur gedacht, diese Kinder brauchen dringend Bildung“, erinnert sich Prem. 264 Tage, gut acht Monate lang, war er in Geiselhaft. Dass er überlebt hat und freikam, führen er, seine Ordensbrüder und seine Familie auf zwei Faktoren zurück: Verhandlungen und Gebete.

 

Die Entführer erlaubten ihm das Gebet

„Wir haben für Prem gebetet, die muslimischen Schulkinder haben für ihn gebetet“, erzählt sein Ordensbruder, der deutsche Peter Balleis später im Interview mit dem „ZEIT-Magazin“. Diese geistliche Kraft habe sich übertragen. Auch Prem selber hat viel gebetet, seine Entführer erlaubten es ihm sogar für drei Stunden täglich. „Sie respektierten seinen Glauben, und auch das erwies sich als überlebenswichtig“, sagt Balleis. Als Leiter des weltweiten JRS war er damals an den Verhandlungen beteiligt.

Dabei war das Schicksal des Ordensmannes lange völlig unklar. „Auch nach 40 Tagen haben wir noch keinerlei Informationen über Pater Prem, ob er überhaupt noch lebt“, hieß es in der Berichterstattung in seiner südindischen Heimat Kerala. Gleichzeitig wurde Premierminister Narendra Modi aufgefordert, sich für Prem einzusetzen.

Die Jesuiten hatten ein Verhandlungsteam aufgestellt, fast ausschließlich Afghanen. Täglich, so erzählt Balleis, habe man den Taliban gezeigt: Wir kümmern uns. Ständig. Das steigert die Überlebenschancen. Und ganz im Sinne Jesu – „Betet für die, die euch verfolgen“ – haben „wir immer nur freundlich an die Verhandler geschrieben: ‚Passt auf unseren Bruder auf! Gott segne euch!‘“, erzählt Pater Balleis. Und fügt hinzu: „Man muss auch mit dem Teufel freundlich reden.“ Man sei die Sachen von Beginn an „fromm angegangen, weil ein kategorisches Nein gegen das Böse nicht hilft“, ist Balleis überzeugt.

Natürlich war die Geiselhaft seines Ordensbruders schlimm. Als zwei in Syrien entführte US-Journalisten ermordet wurden, hätten die Entführer ihm die Videos gezeigt und triumphiert. Sollte er solche Leute lieben? Pater Prem spürte, wie der Hass in ihm aufstieg, besonders gegen einen der Entführer. Aber er rang sich doch durch, zumindest für ihn zu beten. Umgeleitet über Gott kommt man mit starken Gefühlen besser zurecht.

„Vor allem danke ich Gott, dem Allmächigen“, sagte Pater Prem in einem seiner ersten Interviews in Neu Delhi. „Ich dachte, ich würde nicht mehr gerettet. Aber Gott hat mich gerettet.“ Wie so oft hat auch dieser Erfolg viele Väter. Indiens große Medien schrieben die Befreiung Premier Modi zu. Es sei kein Geld geflossen, sagte die Regierung in Delhi, die zudem eng mit Behörden in Kabul zusammengearbeitet hatte. Weitere Einzelheiten wurden nicht genannt. Auch Pater Balleis bestätigt: „Prem kam schließlich frei, weil Narendra Modi sich einschaltete.“ Für ihn wie für seinen indischen Ordensbruder ist es aber selbstverständlich, Gottes Wirken und das der Menschen zusammenzubinden: Pater Prem dankte der Regierung, „die so viel für meine Freilassung getan hat und den Millionen, die für mich gebetet haben“.

 

Die Ohnmacht vor dem Bösen ist das Schwerste

Immerhin wies später auch Indiens Premier Modi, sonst bekannt als strammer Hindunationalist, bei einem Auftritt in Prems Heimat Kerala nicht nur auf die Verdienste seiner Regierung hin, sondern ebenso auf den christlichen Glauben des Ordensmannes: „Pater Prem hat sein Leben dem Herrn Jesus Christus gewidmet.“ Prem selber sagt daher: „Wenn es Gottes Plan ist, würde ich wieder dorhingehen.“

Sein deutscher Ordensbruder Balleis zieht unter anderem dieses Fazit: Das Schwerste sei die Ohnmacht vor dem Bösen gewesen, „im Gegner den Menschen sehen, um selber Mensch zu bleiben“. Dabei helfe ihm sein Glaube. „Man darf auf das Böse nicht mit Bosheit antworten. Diese Haltung hat auch uns Helfer gerettet.“ Eine Aussage, die auch in der Bergpredigt stehen könnte.

Von Roland Juchem


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