Firmen werben offensiv für Reproduktionstechniken, Forscher entwickeln präzise gentechnische Werkzeuge. Ist bald alles möglich: Wunschkinder zu programmieren und schwere Erbkrankheiten zu heilen?
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Je mehr der Mensch über die DNA weiß, desto mehr versteht er Leben als Programmierung. Foto: fotolia |
An diesem Wochenende finden in Berlin erstmals sogenannte „Kinderwunsch-Tage“ statt. Die Werbung dazu verheißt aber eher Wunschkindertage: Auf durchgestylten Illustrationen werben Traumbabys für reproduktionsmedizinische Angebote. Politiker und Kirchenvertreter reagieren trotz Verständnisses für das Leid ungewollt kinderloser Ehepaare kritisch. Denn auf der Messe wird auch für Methoden geworben, die in Deutschland nach ausgiebigen ethischen Debatten verboten sind. In USA, Australien, China, Indien und andernorts sind sie hingegen verbreitet.
Zusätzlich erlaubt eine neue Gentechnik – die Genschere CRISPR/Cas9 –, Gene gezielt an- oder auszuschalten, fremde einzusetzen oder beschädigte zu reparieren. Auch beim Menschen. Gleichzeitig hat etwa die Katholische Universität Eichstätt eine Stiftungsprofessur für Bioethik eingerichtet mit der Leitfrage: Sind die Argumente für den besonderen moralischen Status menschlicher Embryonen in Zeiten neuer biotechnologischer Möglichkeiten noch tragfähig? Oder muss da präzisiert werden? Der Vorsitzende des Nationalen Ethikrates, der evangelische Theologe Peter Dabrock, schrieb unlängst: Bei der Bioethik gehe es weder um „undifferenziertes Bedenkenträgertum noch um nachträgliche moralische Weihe“.
In seinem neuen Roman „Helix“ beschreibt der Science-Ficiton-Autor Marc Elsberg, wie Paare Wunschkinder quasi à la carte zusammenstellen. Zwar ist das ferne Zukunftsmusik, aber schon 2015 haben Wissenschaftler in China mit CRISPR an menschlichen Embryonen experimentiert.
Nun ist gentechnische Züchtung – oder Programmierung – das eine, die Heilung oder Vorbeugung schwerer Erbkrankheiten das andere. Wenn bei einem Menschen eine tödliche Erbkrankheit wie Mukoviszidose behandelt werden soll, ist das auf jeden Fall ehrenwert. „Was sollte ich als Elternteil eines unglaublich kranken Kindes tun – danebensitzen, während mein Kind langsam stirbt?“, fragt ein Biotech-Unternehmer, dessen kleine Tochter schwerkank ist.
Keine ganz einfache Frage: Was sind positive Eigenschaften?
Neue Gentechnik könnte es langfristig unnötig machen, „überzählige“ Embryonen zu produzieren, um einen ohne Erbkrankheit einzupflanzen. Auch weil die Krankheit schon am Embryo behandelt werden kann. Gleichzeitig wird sich die Frage nach erwünschten Eigenschaften eines neuen Menschen stellen. Auch wenn etwa für Intelligenz wohl Hunderte, ja Tausende Gene zuständig sind; vom sozialen und kulturellen Umfeld ganz zu schweigen.
Marc Elsberg fragt zudem: Wer legt fest, was positive Eigenschaften sind? Frei zu sein von Mukoviszidose, ist es sicher. Aber schon behinderte Menschen sehen ihre eigene Lage oft deutlich positiver als ihr Umfeld. Auf jeden Fall müssen sie mitreden können in der Debatte. Schließlich: Wenn schwere Krankheiten und Behinderungen ausgemerzt werden, was ist mit jenen, die sie trotzdem haben? Folgt der biologischen die soziale Selektion?
Prognosen dazu fallen unterschiedlich aus. Schließlich wurde noch nie so viel für Kranke und Beeinträchtigte getan wie heute. Gleichwohl brauchen sie auch künftig eine Stimme.
Von Roland Juchem