Einer der bekanntesten Mönche Deutschlands, der Münsterschwarzacher Benediktinerpater Anselm Grün, sieht sich selbst nicht als Fachmann für Gott.
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Der Benediktinerpater Anselm Grün Foto: Anna-Lena Herbert |
Die große Uhr, die unter dem Ärmel der Ordenstracht hervorschaut, trägt Pater Anselm Grün nicht umsonst. Auch nachdem er das Amt des Cellerars abgegeben hat, muss der 71-jährige Benediktinermönch aus der unterfränkischen Abtei Münsterschwarzach (Diözese Würzburg) die Zeit im Blick behalten. An manchen Tagen kommt er erst nach Mitternacht ins Kloster zurück und muss am nächsten Tag schon wieder weiter. Im Sommer war er auf Leserreise in Brasilien. Eine der wohl berühmtesten Mönche Deutschlands ist noch immer viel unterwegs. Warum nimmt er das auf sich? Und bleibt ihm da noch Gelegenheit für die Begegnung mit Gott?
„Der Mensch ist auf Gott hin angelegt. In seinem ganzen Denken. In seinem ganzen Streben“, ist sich Pater Anselm Grün sicher. Das ist Motivation für den Autor zahlreicher Bücher, die Titel tragen wie „Wege in die Stille“ oder „Mystik: Den inneren Raum entdecken“. Auch deshalb ist er ständig „on tour“. Schließlich seien sie in Münsterschwarzach ja nicht nur kontemplative Mönche, sondern Missionsbenediktiner. „Für mich ist das schon eine Art missionarischer Dienst. Und gerade in unserer Zeit, wo sich auch in Deutschland Viele von der Kirche abwenden, ist es für mich ein Anliegen, die Menschen wieder in Berührung zu bringen mit der Spiritualität.“
„Ich denke, viele Menschen haben eine Sehnsucht nach Gott. Aber sie haben sie oft genug auch unterdrückt oder wenden sich von Gott ab, weil Gott sie auch verunsichert. Also Gott suchen heißt auch, sich selber in Frage stellen lassen“, lautet seine Einschätzung. Das Kriterium, ob jemand Gott suche, sei dessen Offenheit für das Geheimnis – für etwas Größeres als er selbst.
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Gottesbild: Anselm Grün from Andrea Kolhoff Kirchenbote on Vimeo.
Eine Frage bringt ihn in Verlegenheit
Ein Geheimnis ganz anderer Art ist für den Mönch sein eigener Erfolg. Er weiß selbst nicht so recht, was die Menschen ausgerechnet bei ihm finden. Bei der Frage wird der sonst so souverän auftretende Anselm Grün ein bisschen verlegen. „Das ist eigentlich schwer zu sagen“, meint er und streicht sich nachdenklich über seinen grauen Bart. Er versuche eine einfache, offene Sprache zu sprechen und das, wovon er spricht und schreibt, auch selbst zu leben, sagt er dann.
Doch zurück zur Suche nach Gott: Wie erkennt man Gottes Gegenwart überhaupt? Der Mensch könne Gott selbst nicht wahrnehmen, lediglich seine Spuren. Die fänden sich beispielsweise in der Musik, der Stille, der Kunst, der Natur, der Schönheit der Welt und natürlich in der Bibel: „Erfahrungen, die einen berühren, wo man das Gefühl hat, da ist etwas“. Dadurch erhalte man ganz kurz eine Ahnung von Gott. Wichtige Spuren seien zudem die Sehnsucht – etwa nach absoluter Liebe oder Geborgenheit –, das Erfahren von Güte oder die Erkenntnis.
Ist Pater Anselm Grün, der soviel über Gott weiß und rund 300 Bücher veröffentlicht hat, ein Experte für Gott? „Fachmann für Gott kann man nicht sein“, lautet seine Antwort. Der heilige Benedikt definiere den Mönch ja als einen, der sein Leben lang Gott suche. Eine der intensivsten Gottesbegegnungen war für ihn selbst seine Erstkommunion 1955. Da hatte er erstmals den Wunsch, Priester zu werden.
Im klösterlichen Tagesablauf biete ihm zum Beispiel das Chorgebet die Gelegenheit, sich Gott zu öffnen. Besonders gut könne er Gott auch in der Gebetsecke in seiner Zelle erfahren, beim Lesen oder beim Spaziergang an einem nahe gelegenen Bach. Und unterwegs? Im Auto hört er meist Bachkantaten oder Mozartmessen. Auch in der Musik begegne ihm Gott. Wenn er spüre, dass Menschen berührt werden, sei das für ihn selbst ebenfalls eine Art Gotteserfahrung.
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Aber auch ein Mann wie Anselm Grün zweifelt gelegentlich an der Existenz Gottes. „Natürlich kenne ich den Zweifel“, sagt der Mönch, der dem Zweifeln auch reinigende Wirkung für den Glauben zugesteht. Er versuche nicht, den Zweifel zu unterdrücken, er lasse ihn zu und entscheide sich dann für den Glauben. Die Suche nach dem Geheimnis Gott ist auch für einen spirituellen Menschen wie Anselm Grün noch lange nicht zu Ende.
Von Anna-Lena Herbert