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"Schwöre ab oder stirb"

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Das Martyrium einer Familie

Es ist eine der brutalsten Geschichten der Bibel: das Martyrium der namenlosen Frau und  ihrer sieben Söhnen. Und das Schlimmste: Ähnliche Misshandlungen gibt es heute auch noch.

Frei und trotzdem in Angst: Rebecca mit ihrem Mann. Ob er ihr Kind, das sie von einem Boko-Haram-Anhänger bekommen hat, annehmen kann, weiß er noch nicht. Rebeccas Ehe droht zu zerbrechen. Foto: Kirche in Not

Die Familie aus dem Makkabäerbuch lebte um das Jahr 175 vor Christus. Ihr Land war von dem brutalen Kriegsherrn Antiochus überfallen worden Der „wahre Glaube“ war ihm sicher weniger wichtig als Macht. Deshalb war es wohl eher eine Machtdemonstration als religiöse Überzeugung, dass er die Juden zwingen wollte, den jahrhundertealten Geboten Gottes untreu  zu werden und Schweinefleisch zu essen. – Rebecca lebt im Jahr 2016 nach Christus. Ihr Land, Nigeria, wird von einer brutalen Terrormacht beherrscht: der „Boko Haram“. Den Kämpfern geht es sicher mehr um Macht als um den „wahren Glauben“. Und deshalb ist es wohl eine Machtdemonstration, wenn sie immer wieder Christen entführen, foltern und zwingen wollen, ihrem Glauben abzuschwören. „Als die Männer von Boko Haram zu mir kamen, bedrohten sie mich und sagten: ‚Du wirst jetzt mitkommen und für Allah arbeiten!“

Die Frau aus dem Makkabäerbuch war allein mit ihren Söhnen, ihr Mann wird nicht erwähnt – vielleicht ist er längst tot, denn die Männer erwischt es oft zuerst. Auch Rebecca ist allein mit ihren Söhnen. „Zuerst töteten sie die Männer in unserer Gruppe. Wir mussten alles mitansehen.“ Ihr Mann Bitrus entkommt. 

 

Als Erstes verlor Rebecca ihr ungeborenes Kind

Die Frau aus dem Makkabäerbuch verlor als Erstes ihren ältesten Sohn, dann den zweiten bis zum jüngsten. Rebecca verliert zuerst ihr jüngstes Kind, noch ungeboren, das die Strapazen der Verschleppung in den Tschad nicht überlebt. Dort wird sie an einen Boko-Haram-Kämpfer verkauft. Der Mann bedrängt Rebecca massiv, doch sie wehrt sich. Zur Strafe prügelten die Kinder ihres Peinigers sie. „Jeden Tag peitschten sie mich aus – nur weil ich ihrem Vater nicht gefügig war.“ Und als das nicht hilft, greifen sie sich den einjährigen Jonatan: „Sie packten ihn und warfen ihn in den Tschadsee. Er ging sofort unter.“ Das zweite Kind ist tot.

Die Mutter im Makkabäerbuch hätte die Möglichkeit gehabt, das Martyrium zu stoppen. Es hätte gereicht, Schweinefleisch zu essen. Auch Rebecca hätte nachgeben können. Sich mit Todesverachtung dem Mann beugen können. Stattdessen muss sie mitansehen, wie die Männer Mädchen von acht oder neun Jahren missbrauchen. „Sie vergewaltigten sie zu Tode.“ Und Rebecca muss täglich stundenlang an den Gebeten der Islamisten teilnehmen. „Wenn sich jemand weigerte, mit ihnen zu beten, wurde er getötet.“ Rebecca, die Christin, weigerte sich nicht, sie musste durchhalten. 

Schließlich wird sie an einen anderen Mann weiterverkauft. „Als ich mich auch ihm verweigerte, warfen sie mich in eine tiefe Grube. Ich verbrachte dort mehrere Tage ohne Wasser und Nahrung.“ Als man sie herausholt, hat sie keine Kraft mehr. Sie wird brutal vergewaltigt. Das bleibt nicht ohne Folgen: Rebecca wird schwanger. „Ich nahm zehn Schmerztabletten auf einmal, um einen Abgang herbeizuführen. Aber das klappte nicht.“ Erst eine Mitgefangene, die Frau eines frei-​
kirchlichen Pastors, habe sie davon überzeugen können, das ungeborene Kind nicht zu töten. Sie bringt das Baby ganz allein zur Welt und nennt das Neugeborene Ibrahim. „Der Vater vergötterte ihn, weil er ein Junge war. Sie wollen vor allem Nachwuchs für ihre Truppen.“ 

 

Zwei Jahre gefangen; dann gelingt die Flucht 

Die Familie aus dem Makkabäerbuch wurde ausgerottet, doch sie starb voll Gottvertrauen „Gott wird uns zu neuem Leben auferwecken“, sagt der zweite Bruder kurz vor seinem Tod. „Gott hat uns die Hoffnung gegeben, dass er uns wieder auferweckt“, sagt der vierte. Und die Mutter bekennt: „Der Schöpfer der Welt gibt euch gnädig Atem und Leben wieder, wenn ihr jetzt um seiner Gesetze willen nicht auf euch achtet.“ Nirgends im Alten Testament ist die Hoffnung auf Auferstehung so deutlich.

Rebecca überlebt. Nach zwei Jahren gelingt ihr eines Tages, als die meisten Kämpfer unterwegs sind, die Flucht. „Sechs Tage waren wir ununterbrochen auf den Beinen. Ich lief mit Gottvertrauen weiter, dass er uns in Sicherheit bringt.“ Plötzlich erblickt Rebecca Soldaten – keine Kämpfer von Boko Haram, sondern Angehörige der US-Armee. Sie ist in Niger angekommen, endlich in Sicherheit. „Die Soldaten waren ganz wunderbar. Sie brachten mich nach Nigeria zurück, direkt zu meinem Ehemann Bitrus.“ Der muss nun feststellen, dass seine Frau ein Kind von einem Angehörigen von Boko Haram hat. „Ich war glücklich, meine Frau zu sehen, aber der Sohn bricht mir das Herz. Gebe Gott, dass ich ihn lieben kann“, sagt er, als er mit seiner Familie den Helfern der katholischen Diözese Maiduguri gegenübersitzt. 

Rebecca und ihre Söhne erhalten im Camp medizinische Versorgung, Nahrung und Kleidung – aber ihr Leid aufarbeiten kann Rebecca noch nicht. Die Familie steht am Scheideweg, erzählt sie: „Wenn mein Mann sich nicht entschließen kann, meinen Sohn anzunehmen, werde ich zu meinen Eltern zurückgehen. Ich bin frei und trotzdem in Angst.“

Von Susanne Haverkamp

 

Das Hilfswerk „Kirche in Not“ hat Rebeccas Geschichte recherchiert. Und es bittet um Spenden und Gebete für verfolgte Christen: www.kirche-in-not.de oder Telefon 0 89/64 24 88 80


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