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Die Schöpfung bewahren

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Umweltschutz liegt auch den Jägern am Herzen – nicht nur am Hubertustag

Von radikalen Tierschützern werden sie oft als Mörder verschrien. Doch das sind sie keineswegs. Jäger fühlen sich dem Tier- und Naturschutz verpflichtet. So auch Johannes Diedrich (55). Für den aktiven Katholiken schließen sich Jagd und Christsein nicht aus.

Johannes Diedrich beim Gang durch sein Revier. Immer dabei seine Jagdhündin Juna. Foto: Nestmann

Johannes Diedrich blickt auf den dunklen, frisch gepflügten Acker. 200 Meter vor ihm jagt Juna auf und ab, die Nase immer knapp über dem Boden. Juna, das ist seine dreijährige Deutsch-Drahthaarhündin. Die ersten Prüfungen hat die Hündin bereits bestanden und darf bei der Jagd eingesetzt werden. Ein leiser Pfiff mit der Hundepfeife. Juna unterbricht die Mäusejagd und sitzt in Wartestellung. Ein zweites Pfeifen und die Hündin sprintet zu ihrem Herrn.

Mit Juna bei Fuß geht es zu einem kleinen Maisfeld. „Dort kann man sehen, wie schlau die Sauen sind“, sagt Johannes Diedrich, „außen sieht man nichts. Da haben sie die Halme stehen lassen. Innen ist alles abgefressen.“ Der Bestand an Wildschweinen hat sich rasant vergrößert. Grund sind der vergrößerte Maisanbau für die Biogasanlagen und die milden Winter. Mittlerweile werfen die Sauen nicht nur einmal im späten Frühjahr, sondern manchmal sogar noch ein zweites Mal.

Johannes Diedrich hat südlich des Steinhuder Meeres ein Revier mit 505 Hektar bejagdbarer Fläche gepachtet. Laut Abschussplan stehen ihm pro Jahr sieben Rehböcke, acht Ricken und zehn Wildsauen zu.

Hegebüsche, Wildäcker und Blühstreifen

Niederwild wie Hasen oder Rebhühner dürften auch gejagt werden. Doch die Bestände sind  schon vor Jahren eingebrochen, viele gibt es nicht mehr im Revier. „Da freut man sich, wenn man mal einen Hasen oder ein Gesperre Rebhühner sieht. Dann lässt man den Finger gerade und schießt nicht“, erklärt der passionierte Weidmann. Warum es in manchen Revieren nur noch wenig Niederwild gibt? Das hat viele Gründe: Die moderne Landwirtschaft mit ihren großen Maschinen,  riesige  Agrarflächen, die abgeerntet keine Deckung mehr bieten, Spritzmittel und Gülle,  der Straßenverkehr und die große Zahl an heimischem oder zugewandertem Raubwild, aber auch wildernde Katzen und Hunde setzen dem Niederwild zu.

Johannes Diedrich und seine Jagdkollegen tun viel für Hase, Fasan und Rebhuhn. Viel Freizeit  investieren sie, um Hegebüsche anzupflanzen, Wildäcker zu bestellen und Blühstreifen anzulegen. Aber der Arbeitseinsatz lohnt sich. „Die Blühstreifen müssen Sie mal im Sommer sehen! Dann sind die Blumen über und über mit Schmetterlingen und anderen Insekten bedeckt!“, schwärmt Johannes Diedrich. Schön für das Auge und überlebenswichtig für die jungen Nestflüchter wie Kiebitz, Rebhuhn und Fasan. „Denn die sind auf die Insekten als wichtigste Nahrung angewiesen“, weiß Diedrich. Wildäcker mit ihren verschiedenen Kräutern  sind für Hasen eine Art Apotheke. Stammkohl und Topinambur helfen Rehen und anderem Wild in der kalten Jahreszeit. Und wenn die Jagdbehörden im Winter Notzeiten ausrufen, sind es die Jäger, die dem Wild bei extremem Frost und hohen Schneelagen Futter bereitstellen.

Ganz uneigennützig sind die Jäger bei ihrer Hege aber nicht. „Na klar, wir wollen natürlich auch etwas vor die Büchse bekommen. Gejagt wird aber nur, wenn es der Wildbestand zulässt. Ansonsten wird diese Wildart auch während der offiziellen Jagdzeit geschont. Wenn man die Zeit von Jagd und Hege zusammenrechnet, sind wir mehr Heger als Jäger“, sagt Diedrich und fügt lächelnd hinzu. „Aber das stört uns nicht. Als Jäger leben wir mit und in der Natur und haben uns die Bewahrung der Schöpfung auf die Fahne geschrieben.“

Zum Jagen gehören Tierschutz und Naturschutz

Nicht nur im Bundesjagdgesetz, sondern auch in verschiedenen Jagdtraditionen sind wichtige Tierschutz- und Naturschutzelemente fest verankert. So sind in Deutschland brutale Jagdarten wie Hetzjagden mit Reitern und Hundemeuten verboten. Es ist festgelegt, mit welchen Waffen oder Fallen gejagt werden darf, um zu gewährleisten, dass ein Tier sicher und möglichst schmerzfrei getötet wird, um ihm unnötiges Leiden zu ersparen.

Schon seit alters her fühlen sich die meisten Jäger einem Ethos verpflichtet, den der Forstmann Oskar von Riesenthal in einem Gedicht 1880 zusammengefasst hat:

„Das ist des Jägers Ehrenschild,
daß er beschützt und hegt sein Wild,
waidmännisch jagt, wie sich’s gehört,
den Schöpfer im Geschöpfe ehrt.

Das Kriegsgeschoß der Haß regiert,
Die Lieb’ zum Wild den Stutzen führt:
Drum denk’ bei Deinem täglich Brot,
ob auch Dein Wild nicht leidet Noth?

Behüt’s vor Mensch und Thier zumal!
Verkürze ihm die Todesqual!
Sei außen rauh, doch innen mild,
Dann bleibet blank Dein Ehrenschild!“

Die Achtung vor der Kreatur drückt sich in uralten Bräuchen aus wie das Verharren beim erlegten Wild, ihm als  „letzten Bissen“ einen Zweig ins Maul zu stecken oder es am Ende einer Jagd mit einem Hornsignal und dem „letzten Halali“ zu ehren. Johannes Diedrich jagt seit seinem 17. Lebensjahr – und das im selben Revier, das schon sein Vater und Großvater gepachtet hatten. Von seinen Kindern, drei Töchtern und einem Sohn, will allerdings keiner jagen. Seine Jagdleidenschaft mit seinem Glauben in Einklang zu bringen, ist für Johannes Diedrich kein Problem. Für den ehemaligen Messdiener und späteren Kirchenvorstand gehört zu seinem Jägersein auch die Tradition der Hubertusmessen. So wie am Erntedankfest für die Gaben aus Garten und Feld gedankt wird, danken rund um den Hubertustag viele Jäger für ihre Ernte, machen sich dabei aber auch noch einmal bewusst, welche Verantwortung sie als Jäger und Heger für die Kreatur und die Umwelt haben.

Hubertus wurde zum Vorbild der Jäger

Wenn im Gotteshaus in einer Messfeier oder Andacht die Parforcehörner erschallen, dann geht es nicht nur vielen Jägern durch und durch. In ihrer ursprünglichen Form ist die Hubertusmesse eine instrumentale, auf dem Jagdhorn geblasene Messe. Es gehört dazu, dass dabei die Legende von Hubertus erzählt wird, einem Edelmann, der im 8. Jahrhundert gelebt hat.
 

Das Bläsercorps „Die Jagdfanfare“ mit ihren Parforcehörnern bei einer Hubertusmesse in der St.-Matthäus-Kirche in Algermissen. Foto: Deppe

Der Überlieferung nach war er ein leidenschaftlich ausschweifender Jäger in den Ardennen, der die Erlegung des Wildes als Selbstzweck sah. Einmal jagte Hubertus einen gewaltigen Hirsch. Als er ihn erlegen wollte, erkannte er ein Kreuz in seinem Geweih. Für Hubertus war es seine Christusbegegnung. Von da an sah er in allen Wesen die Geschöpfe Gottes und hat sich hegend und pflegend für die Schöpfung und ihre Kreaturen eingesetzt. Diese Grundhaltung der Achtung vor dem Geschöpf ging als Waidgerechtigkeit in die Verhaltensgrundsätze der Jägerschaft ein. Später wurde Hubertus Bischof von Lüttich im heutigen Belgien. Bereits 16 Jahre nach seinem Tod, am 3. November 743, wurde Hubertus heiliggesprochen.

Hörnerklang im Gottesdienst

Auch wenn schon früh Gottesdienste zu Ehren des heiligen Hubertus gefeiert wurden, entwickelte sich erst im 19. Jahrhundert in Belgien und Frankreich eine spezielle Liturgie, bei der eben Jagdhörner, die sogenannten Parforcehörner, mitwirkten. Bei den anfangs vor allem im Wald gefeierten Hubertusmessen ersetzten sie die fehlende Kirchenmusik. Eindrucksvoll lassen die Hörner glockenartige Klänge entstehen, die den großen Kirchglocken in ihrer Wirkung kaum nachstehen.  Bei der liturgischen Gestaltung einer Hubertusmesse sollte man allerdings beachten, dass die Beteiligung der Gottesdienstgemeinde nicht zu kurz kommt und die Messfeier nicht zum Konzert wird.

In Deutschland gibt es die Tradition der geblasenen Hubertusmessen erst seit den 1950er-Jahren. Neben der Hubertusmesse für die großen Parforcehörner gibt es inzwischen auch eine für die kleineren Fürst-Plesshörner, die noch heute  als Signalhörner bei Jagden eingesetzt werden.

Am 3. November wird um 19 Uhr in der St.-Hubertus-Kirche in Wennigsen eine Hubertusmesse gefeiert. Danach gibt das Freiwillige Jagdhornbläsercorps Hannover unter Leitung von Johannes Diedrich vor der Kirche ein Konzert mit Jagdmärschen.

Tillo Nestmann und Edmund Deppe


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