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Wenn Aleppo wieder aufersteht

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Wiederaufbau

Aleppo im August 2016: Das Wasser wird knapp. Ärzte müssen entscheiden, wen sie behandeln, wen sie sterben lassen. Über allem tobt der Krieg aus Bomben, Granaten und Propaganda. Und da überlegen Architekten und Archäologen, wie sie die Stadt wieder aufbauen können?

Blick aus einer zerstörten Moschee auf das Trümmerfeld in Aleppo. Foto: Reuters

„Ich kann den vorwurfsvollen Unterton in solchen Fragen schon nicht mehr hören“, empört sich Issam Ballouz. „Sollen wir uns nur die Nachrichten anschauen und resigniert im Sessel sitzen?“ Es seien vor allem Journalisten, die so fragten. Von Fachleuten und Kollegen höre er das nicht. Ballouz ist Architekt, Deutscher mit syrischen Wurzeln und arbeitet beim Museum für Islamische Kunst in Berlin.

Seit April bereiten er und weitere syrische wie internationale Experten den Wiederaufbau Aleppos und anderer Städte vor. Aleppos historisches Zentrum ist UNESCO-Weltkulturerbe. „‚Wiederaufbau‘ ist ein weiter Begriff“, schränkt Ballouz ein, „wir bereiten Planungen vor.“ Konkret sammeln sie historische Fotos und Karten, erfassen Schäden und digitalisieren das Material, um am Computer 3-D-Modelle zu erstellen. Für eine einheitliche Grundlage, um Aleppos bauliche Zukunft zu planen.

Gleichzeitig beraten die Experten Menschen in Aleppo, wie sie getroffene Gebäude absichern können, damit sie nicht noch mehr geschädigt werden. „Dort laufen ja nicht alle mit einer Waffe in der Hand rum, sondern kümmern sich um Menschen und Gebäude“, sagt Ballouz. Es sei dringend notwendig, jetzt schon zu überlegen, wie historsche Wohnhäuser, Kirchen, Moscheen, der große Basar wieder aufgebaut werden können.

 

Geld ist da und Baufirmen stehen bereit

Sobald die Waffen schweigen, stehen Bauunternehmen und andere Investoren bereit, das große Geld zu machen. „Dann zerstören Bagger und Bulldozer mitunter mehr als Bomben und Granaten vorher“, so Ralph Bodenstein, Ko-ordinator des Projekts „Stunde Null“ beim Deutschen Archäologischen Institut in Berlin. Dort wird das Netzwerk der Aufbauplanungen für Syrien koordiniert. Nach dem Bürgerkrieg im Libanon etwa ließ ein früherer Premier weite Teile des Zentrums von Beirut abreißen für eine neue, moderne Stadt. „Nur ein paar historische Relikte wurden zu einem orientalischen Disneyland verschandelt“, kritisiert Bodenstein.

Auch für Syrien stehen schon türkische Bauunternehmer bereit, um neue Häuser und Straßen zu errichten. Geld sei auch da. „Dann müssen wir unsere Pläne für einen durchdachten Wiederaufbau schon an nationale wie internationale Politiker und Geldgeber kommunizert haben“, sagt Ballouz.
Sonst kommen wir zu spät.

Der „seelische Wiederaufbau“ wird viel schwieriger. Aber wenn Menschen sich gemeinsam um ihr historisches Erbe kümmern, finden auch bisherige Gegner leichter wieder zusammen, ist Ballouz überzeugt. Ob die Waffen in zwei Monaten oder zehn Jahren schweigen, weiß auch keiner. Die Hände in den Schoß zu legen, ist aber keine Alternative.

Von Roland Juchem


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