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Neuer Schwung für das Dorf

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Initiative „Mingerode 2030“ gibt Impulse für ein Leben auf dem Land

Den Bouleplatz in Mingerode hat die Initiative „Mingerode 2030“ wieder zum Leben erweckt und ihn zu einem Dorf-Treffpunkt gemacht. Weitere Impulse sollen folgen.  

Renate Schopferer, Dr. Guntram Czauderna und Max Moser spielen Boule  auf der Lindenallee in Mingerode. Foto: Broermann
Renate Schopferer, Dr. Guntram Czauderna und Max Moser spielen Boule  auf der Lindenallee in Mingerode. Foto: Broermann

Am Anfang herrschte unerwartete Stille. Vor zwei Jahren, direkt nach Karneval, schmiss der Pächter der Dorfkneipe hin. Kein Wirt, nirgends. „Es war einfach still“, erinnert sich Dr. Guntram Czauderna. Das hat einige im Dorf vor den Toren Duderstadts wachgerüttelt.

Mit gezieltem Schwung wirft Max Moser eine Boulekugel. Knallharte Landung, die Kugel knirscht noch ein Stück über den Sand. Der Bouleplatz besteht schon seit Jahren, „aber niemand hat ihn benutzt“, sagt Moser. Seit rund anderthalb Jahren ist das anders. Die Initiative „Mingerode 2030“ hat Boule neu entdeckt. Als Dorf-Treffpunkt.

Etwas mehr als 1300 Einwohner hat Mingerode aktuell. Vor etwa fünf Jahren waren es noch über 1400. Während junge Menschen eher wegziehen, bleiben die älteren im Dorf – und fühlen sich dort auch wohl. „Die meisten leben sehr gerne hier, was müssen wir tun, um auch noch in 20 Jahren hier leben zu können“, lautete daher die Leitfrage beim Gründungstreffen der Initiative. Der pensionierte Studiendirektor des Eichsfeld-Gymnasiums Czauderna übernahm die Moderation. Dabei pochte er auf Vorhaben, die innerhalb von sechs Monaten umsetzbar sind: „Man vertrocknet sonst am eignen Idealismus.“
 

Die Menschen im Ort kommen zusammen

„Ich war gleich begeistert“, erinnert sich Max Moser. Mit ihm waren über 30 Einwohner zur Versammlung gekommen, fünf Arbeitskreise bildeten sich. Einer kümmert sich beispielsweise um die Kommunikation im Dorf, ein anderer um Kultur. Auch wurde die Forderung laut, eine Tagespflege im Ort einzurichten und sicherzustellen, dass sie mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs versorgt werden.

„Wir wissen aber genau, dass wir nicht in bestehende Rechtssysteme eingreifen können“, beschreibt Czauderna eine Grenze des Engagements. So wünschenswert beispielsweise eine Sortimentserweiterung in einem Dorfladen sei, kein Händler kann dazu gezwungen werden.

Die Idee, Boule auf der Lindenallee wiederzubeleben, war hingegen schnell umsetzbar. Ein Flohmarkt zwischen den Bäumen markierte den Anfang. Mittlerweile gibt es wöchentliche Boule-Treffen. „Jeden Donnerstag um 18 Uhr kommen 10 bis 15 Leute zusammen“, sagt Moser. Es bleibt nicht immer nur beim Spiel. Zur Bahneröffnung im Frühjahr und zum Abschlussspiel im Herbst werden Baguette, Käse und Rotwein gereicht, der Flohmarkt wurde schon wiederholt.

Auch offene Kneipenabende und Infoveranstaltungen bietet „Mingerode 2030“ an. Das leerstehende Gasthaus kann dafür genutzt werden. Dann geht es um Themen wie Pflegeversicherung, demografischen Wandel oder Energie. Aber auch ein Reisebericht aus Japan, Zeitzeugengespräche zum Zweiten Weltkrieg oder Vorleseabende wurden schon organisiert. „Wir wollen die Menschen im Ort zusammenkommen lassen“, erklärt Czauderna.

Konkurrenz zu bestehenden Gruppen und Vereinen soll dadurch nicht entstehen, im Gegenteil. „Alles, was da ist, muss gefördert werden“, lautet eine Prämisse von „Mingerode 2030“. Und ganz wichtig sei auch die sofortige Beteiligung aller betroffenen Gremien gewesen. „Ob Ortsrat, Kirche, örtliche Vereine, alle wurden informiert“, berichtet Czauderna.

Im vergangenen Herbst organisierte die Initiative ein Benefizkonzert für „Flüchtlinge in Not“. Gut angenommen wurde zudem ein offener Gesangsabend. „Das wird wiederholt, erweitert um einen Chor“, kündigt Moser an. Außerdem holt „Mingerode 2030“ das Junge Theater aus Göttingen ins Dorf. Mitte September gastiert es auf der großen Bühne im alten Gasthaus mit „2030 – Odyssee im Leerraum“. Passender könnte es kaum sein, denn es spielt im ländlichen Raum in Südniedersachsen. Entwickelt wurde das Stück zum demografischen Wandel gemeinsam mit Wissenschaftlern und Bürgern.
 

Christen müssen sich auch um Dinge der Welt kümmern

„Mingerode 2030“ hofft derweil auf weitere Engagierte. „Wir sind offen für alle“, betont Czauderna. Seine eigene Motivation schöpft er aus dem Glauben: „Christ sein heißt, sich um die Dinge dieser Welt kümmern.“ Und die Zukunft liegt für ihn und Moser weniger auf der Boulebahn, als direkt am Rand der Lindenallee. Dort stehen etwas ungetüme graue Kästen. Frisch installiert von der Telekom, DSL-Anschluss für schnelles Internet. „Das ist unsere Zukunft. Internet gehört zur Grundausstattung“, sagen sie.

Wer eine Computerpause zum Schwungtraining beim Boule nutzen will, bekommt in Mingerode Kugeln und Spielregeln jederzeit ausgeliehen. Wo die zu finden sind, verrät eine Anleitung an der Boulebahn. Stille zur Konzentration auf den nächsten Wurf ist sowieso vorhanden.

Von Johannes Broermann


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