Windhauch und Narretei? Mitnichten! Neun Milliarden – das ist der Besitz des Erzbistums München, wie kürzlich bekannt wurde. Ein Widerspruch zu den Lesungen des heutigen Sonntags? Irgendwie schon, sagt Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen.
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"Die Kirche ist vergleichsweise reich. Doch führt alles Geld nicht dazu, dass wir eine blühende Kirche sind", sagt der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer. Foto: colourbox |
„Wenn ich solche Zahlen höre, fange ich schon an zu grübeln“, sagt Klaus Pfeffer, seit 2012 Generalvikar des Bistums Essen. Natürlich mache die Kirche „gute Sachen“ mit ihrem Geld, aber Reichtum könne eben auch verführen. „Er vermittelt ein Gefühl von ‚Geld spielt keine Rolle‘“, sagt Pfeffer. „Es verleitet dazu, leichtfertiger Geld auszugeben. Manche Leute glauben immer noch, wir hätten hier eine Gelddruckmaschine.“
Dass das schief gehen kann, hat das Bistum Essen schmerzhaft gespürt. „Als wir vor 13 Jahren einen neuen Bischof bekommen haben, Felix Genn, der inzwischen in Münster ist, ließ er die wirtschaftliche Situation von unabhängigen Beratern prüfen.“ Das Ergebnis war erschreckend. „Die haben klar gesagt: ‚Wenn ihr nicht massiv spart, landet ihr im Konkurs.‘“ Damals wäre es, meint der Theologe, „gar nicht schlecht gewesen, noch ein paar volle Scheunen zu haben“. Denn dem Bistum ging es wie dem Mann, von dem Kohelet erzählt: Lange ehrlich Geld verdient – und dann ist es plötzlich weg. Und dann, so Pfeffer, geht das Hauen und Stechen los. „Beim Geld, so hat es einmal ein Bischof gesagt, höre die Geschwisterlichkeit auf.“
„Wir zahlen und wollen kirchlich bedient werden“
Auch wenn die Finanzen inzwischen einigermaßen konsolidiert sind: „Wir sparen weiter. Wir blicken voraus in schlechtere Zeiten und fahren unsere Ausgaben moderat herunter.“ Viele wollen das nicht einsehen. „Es gibt viel Argwohn, viele Verteilungskämpfe, viel Neid. Der eine oder die andere will sich nicht so gern in die eigenen Konten gucken lassen. Das ist schon manchmal eine Atmosphäre, die nicht mehr so ganz zur Botschaft Jesu passt.“ Und die vieles andere blockiert, so wie Kohelet schreibt: „Alle Tage besteht sein Geschäft nur aus Sorge und Ärger, und selbst in der Nacht kommt sein Geist nicht zur Ruhe.“ Keine guten Voraussetzungen für eine zukunftweisende Gemeindearbeit.
Viel Geld kann aber nicht nur zum Leichtsinn verführen. Viel entscheidender ist, so Pfeffer, dass es den Fokus in die falsche Richtung lenkt. „Gerade das hohe Kirchensteueraufkommen hat es möglich gemacht, riesige kirchliche Strukturen aufzubauen mit vielen hauptamtlichen Mitarbeitern.“ Und das wiederum habe dazu geführt, dass viele Getaufte sich zu Konsumenten entwickelt haben. „Wir zahlen und wollen dafür auch kirchlich bedient werden.“ Dieses System sei aber am Ende, auch wenn die Kirchensteuermittel (noch) fließen. „In unserer pluralen Gesellschaft funktionieren Institutionen nur, wenn engagierte Leute sie selbst gestalten.“
Für Pfeffer sind weniger Geldmittel deshalb auch keine Katastrophe. „Es ist eine urchristliche Überzeugung, dass wir zum Leben nur über das Sterben kommen. Und das gilt auch schon mitten in diesem Leben.“ Loslassen, vertraute Vorstellungen sterben lassen, das sei zweifellos schwierig und anstrengend. „Aber Neues wächst nur, wenn Altes vergeht. Vielleicht will Gott uns ja mit dem Verlust unseres kirchlichen Reichtums etwas sagen.“ Dennoch: Eine „arme Kirche“ hält der Essener Generalvikar auch nicht für die beste Alternative. Natürlich brauche eine Kirche auch Geld, wenn sie in unserer Gesellschaft wirksam sein wolle, etwa in der Flüchtlingshilfe, in Schulen und sozialer Hilfe. Gut ausgebildete kirchliche Mitarbeiter seien deshalb wichtig, und dass in Ländern wie Frankreich der Pfarrer auch mal kollektieren muss für seinen eigenen Lebensunterhalt, ist auch nicht unbedingt ein Vorbild. „Aber ich bin mit sehr bewusst, dass unser deutscher Kirchenstandard im weltweiten Vergleich nicht normal ist. Wenn ich Christen in vielen anderen Ländern der Erde erzählen würde, dass wir in Essen ein ‚armes Bistum‘ sind, dann könnten die sich doch nur wundern“, sagt der 52-Jährige.
Zudem ist es Pfeffer wichtig, die Frage des Geldes nicht nur auf die „Institution Kirche“ zu beziehen. „Die Gläubigen, die am kirchlichen Leben teilnehmen, erwarten einen angemessenen Rahmen und auch einige Ehrenamtliche freuen sich, wenn ein Teil ihres finanziellen Aufwandes erstattet werden kann.“ Wer will schon Geld mitbringen, wenn er sich engagiert?
Der Umgang mit Geld bleibt ein „Stachel im Fleisch“
Auch mit seinem eigenen Gehalt als Generalvikar möchte er „angemessen“ umgehen. „Mein Vater war Arbeiter, meine Mutter hat lange als Putzfrau gearbeitet“, sagt der gebürtige Sauerländer. „Da ist mir in Fleisch und Blut übergegangen, dass Geld nichts Selbstverständliches ist.“ Im Gegenteil habe er es sich in jungen Jahren „wirklich erkämpfen müssen“, sich auch mal etwas zu gönnen. „Ich habe lernen müssen, dass es auch gut ist, sich selbst etwas Gutes zu tun. Auch wenn es Geld kostet.“
Und trotzdem: Der Umgang mit Geld bleibt für Klaus Pfeffer ein „Stachel im Fleisch“, als Generalvikar wie als Privatmann. „Zu glauben, dass die Kirche vom Geld lebt, ist jedenfalls eine Illusion. Unsere Kirche ist vergleichsweise reich, und trotzdem führt alles Geld nicht dazu, dass wir eine blühende, eine ausstrahlende Kirche sind.“ Wie der Prediger Kohelet sagt: „Windhauch, Windhauch, Besitz ist Windhauch. Und Jesus ergänzt: „So geht es jedem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber vor Gott nicht reich ist.“
Von Susanne Haverkamp