In diesen Tagen erscheint die katholisch-kirchliche Statistik für 2015. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die Zahl der Austritte. Doch wie sinnvoll ist es, Glaubensleben in Zahlen zu messen?
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Statistiken machen das Leben messbar, aber in der Kirche geht es um den Einzelnen, nicht um große Zahlen. Foto: kna-bild/istock/Montage: S. Jegliczka |
Statistiken sind sinnvoll, natürlich. „Sie objektivieren meine Erkenntnis der Wirklichkeit“, sagt Wilhelm Haumann, Projektleiter beim Allensbach-Institut. Klar: Statistiken beschreiben das Leben in Zahlen, machen es messbar, vergleichbar. Aus Bauchgefühl wird objektives Zahlenmaterial. „Damit kann man auch erkennen, wo Panik gemacht wird“, sagt Haumann. Etwa bei der vermeintlichen Islamisierung des Abendlandes: Wenn laut Statistik in Deutschland vier bis fünf Millionen Muslime leben, lässt sich schwerlich von Islamisierung sprechen.
2015 dürften wohl weniger Menschen aus der Kirche ausgetreten sein als im Jahr zuvor, das noch unter den Einflüssen der Geschehnisse in Limburg stand. Es darf die Kirche nicht kaltlassen, wenn Menschen ihr den Rücken kehren. Natürlich muss man das analysieren.
Gleichzeitig mahnt Umfrageforscher Haumann, die Dimensionen im Auge zu behalten: Noch immer gibt es in Deutschland fast 24 Millionen Katholiken. Davon tritt noch nicht einmal ein Prozent pro Jahr aus der Kirche aus. Und das, obwohl die meisten Katholiken, auch das sagt die Statistik, nicht regelmäßig am kirchlichen Leben teilnehmen. Damit stellt die Statistik der Kirche eine Hausaufgabe: Was hält diese Menschen bei der Stange und wie kann die Kirche das verstärken?
Haumann verweist dabei auf einen weiteren Wert, der wenig beachtet wird, wenn man nur auf die Austritte starrt: Im Jahr 2013 wurden 72 Prozent aller Neugeborenen, von denen wenigstens ein Elternteil katholisch war, katholisch getauft. 1980 lag dieser Wert nicht viel höher – bei 75 Prozent.
Bei Vertrauen und Liebe müssen Statistiker passen
Warum wollen Eltern immer noch, dass ihre Kinder getauft werden? Wie kann man diese Wünsche unterstützen? Wie junge Eltern noch besser ansprechen? Und wie müssen Anmeldung, Vorbereitung und Feier sein, damit sich die Qualität dieser – ja – Dienstleistung auch herumspricht? Das sind Fragen, die sich aus der Statistik ergeben. Aber Statistiken haben Grenzen. Einzelfälle lassen sich damit nicht erklären. Und um den Einzelnen geht es in der Kirche, nicht um möglichst große Zahlen. Natürlich ist es schöner, wenn sich viele vom Glauben anstecken lassen. Aber Jesus hat nie verheißen, dass es an jedem Ort eine Pfarrei, einen Pfarrer, einen gut gefüllten Sonntagsgottesdienst gibt.
Er wäre nach heutigen statistischen Maßstäben vermutlich ziemlich erfolglos: Wenn er davon spricht, dass der gute Hirte 99 Schafe zurücklassen soll, um das eine entlaufene zu finden. Wenn er Menschen heilte, dann waren das einzelne. Die Statistik würde feststellen, dass die meisten Zeitgenossen mit dieser Diagnose krank geblieben sind. Jesus geht es letztlich um Vertrauen und Liebe. Da müssen Statistiker passen …
Von Ulrich Waschki