Es sollte Einheit demonstrieren - doch faktisch ist das Panorthodoxe Konzil kurz vor Beginn gescheitert.
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Gläubige entzünden zum orthodoxen Osterfest Kerzen in der Jerusalmer Grabeskirche. Foto: kna-bild |
Nach der Absage aus Moskau ist das Panorthodoxe Konzilvon Kreta faktisch gescheitert - auch wenn das dortige Konzilssekretariat noch business as usual betreibt. Gescheitert ist die Idee einer "allorthodoxen" Synode, die die Einheit und Zusammengehörigkeit der Orthodoxie eindrucksvoll demonstrieren sollte. Mit den Russen sind es jetzt 5 der 14 eigenständigen Kirchen, die dazu nicht kommen wollen.
Die Schuldzuweisungen zwischen den beiden Kraftzentren der Orthodoxie, dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel und dem Moskauer Patriarchat, haben begonnen. Tragen die slawischen Kirchen die Hauptverantwortung, die mit ihrer kurzfristigen Forderung nach einer Verschiebung der seit 50 Jahren geplanten "Heiligen und Großen Synode" einen Erfolg verhinderten? Oder sind es "die Griechen", die "diktatorisch" an dem einmal beschlossenen Plan festhalten und für noch so gute Argumente unzugänglich sind? Doch so einfach ist es nicht, auch wenn Machtkämpfe und Intrigen im Hintergrund immer auch eine Rolle spielen.
Das strukturelle Problem der Orthodoxie ist, dass mit dem Wachsen der Zahl eigenständiger (autokephaler) Kirchen seit dem 19. Jahrhundert, vor allem durch den Zerfall des Osmanischen Reiches, keine gemeinsame "Verfassung" das Zusammenwirken dieser dem Glauben und der Liturgie nach geeinten Kirchen regelt. Höchstes Organ ist theoretisch das Panorthodoxe Konzil - das aber in der Neuzeit noch nie zusammengetreten ist. Für die Abhaltung einer solchen Synode gibt es zudem keine allseits akzeptierten Regeln und Autoritäten, wie die jetzige Diskussion zeigt.
Inneres Ungleichgewicht in der Orthodoxie
Das hängt auch mit dem inneren Ungleichgewicht der Orthodoxie zusammen. Zum Moskauer Patriarchat gehören mehr Bischöfe und Gläubige als zu allen anderen 13 Kirchen zusammen. Die Rolle des Patriarchen von Konstantinopel als Ehrenoberhaupt der Orthodoxie ist in ihrer Reichweite umstritten und nicht genau definiert, und die in den vergangenen Jahren entwickelte Ad-hoc-Konstruktion einer Synaxis (Versammlung) der 14 Vorsteher hat keine Rechtsgrundlage.
Deshalb war auch die seit den 60er Jahren geplante Einberufung eines Konzils - zunächst angesichts der prekären Lage der Kirchen im Sowjet-Imperium ohnehin schwierig - immer ein kompliziertes Unterfangen. Um kein Bild des Streits entstehen zu lassen, sollten möglichst alle kontroversen Punkte schon vorab bei sogenannten präkonziliaren Konferenzen geklärt werden. Was dabei einmal im Konsens abgestimmt wurde, sollte möglichst nicht wieder angetastet werden - auch wenn die seit den 1970er Jahren vorbereiteten Entwürfe längst nicht mehr als hilfreich empfunden wurden.
Hinzu kam die fatale Entscheidung der Synaxis über die Verfahrensordnung: Zum Konzil sollten nicht alle rund 700 Bischöfe kommen, sondern 14 Delegationen von maximal 25 Teilnehmern. Damit wären die Bischofskonferenzen der sieben kleineren Kirchen vollständig vertreten gewesen, von den Russen allerdings nicht einmal zehn Prozent. Zum Ausgleich sollte jede Delegation nur eine Stimme haben, und alle Entscheidungen sollten einstimmig fallen. Dadurch fühlten sich die Bischöfe entmündigt.
Warum werden erst jetzt Bedenken geäußert?
Für eine Verschiebung des Konzils gäbe es angesichts dessen gute Gründe - allerdings müssen sich jene, die sie jetzt anführen, fragen lassen, warum sie erst zugestimmt und ihre Bedenken erst jetzt formuliert haben. Auch das Ökumenische Patriarchat, das sich nicht zu einer Vertagung ermächtigt sieht, hat gute Gründe. Zum einen ist nicht erkennbar, wie die aufgeführten Probleme in absehbarer Zeit zu lösen wären. Ob der 76-jährigen Patriarch Bartholomaios I., dessen Autorität durch das Scheitern von Kreta beeinträchtigt wäre, die Kraft dazu hätte, steht dahin. Zum anderen haben einzelne Kirchen ihre Absagen auch mit bilateralen Konflikten begründet. Ihr Erscheinen wäre also auch bei einer Lösung anderer Fragen nicht garantiert.
Unklar ist bei alledem, wer für die in Kreta aufgelaufenen Kosten aufkommt, die "unter 2,5 Millionen Euro" liegen sollen, wie der in Paris ansässige Metropolit Emmanuel von Frankreich (Patriarchat Konstantinopel) dem Portal kath.ch sagte. Die bulgarische Kirche hatte bei ihrer Absage auch finanzielle Motive genannt.
Falls nicht noch kurzfristig ein Ausweg gefunden wird, dürfte am Sonntag ein "Rumpf-Konzil" auf Kreta beginnen. Seine Autorität wäre jedoch von vornherein infrage gestellt.
kna