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Ideale hochhalten

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Kommentar

Kann ein Krieg "gerecht" sein? Die katholische Lehre geht von diesem Ausnahmefall aus - bislang. Ein Kommentar von Roland Juchem.

Setzen sich unter Papst Franziskus im Vatikan nun „Radikalpazifisten“ durch? Die Frage – oder Befürchtung – mag manchen befallen, der von jener Konferenz in den Mauern des Kirchenstaates liest, die vergangene Woche forderte: Die katholische Kirche soll ihre traditionelle Lehre abschaffen, dass unter bestimmten Bedingungen ein begrenzter Krieg als „gerecht“ hingenommen werden kann.

Nun, ganz so weit ist es nicht. Dennoch markieren die Überlegungen der Konferenzteilnehmer, unter ihnen Bischöfe und Ordensleute, einen Schritt in der theologischen und ethischen Entwicklung der Kirchenlehre. Eine solche hat es immer gegeben und wird es weiter geben.

Mit Blick auf die Diskussionen rund um die jüngsten Familiensynoden fallen zwei entgegengesetzte Tendenzen auf: Während die katholische Kirche in der Ehe- und Sexualmoral entsprechende Aussagen Jesu früher sehr rigoros verstand und von den Gläubigen fast immer eine 1:1-Umsetzung verlangte, tat sie dies mit Jesu Aussagen zu Gewalt, Frieden und Feindesliebe nicht. Da ging es in den Jahrhunderten, als die Kirche weltliche Macht besaß, deutlich laxer zu.

Nun hält die Kirche Jesu Ideal der Ehe mit Recht weiterhin hoch. Mit Blick auf die tatsächlichen Lebenslagen ihrer Gläubigen möchte und muss sie dieses Ideal aber seelsorglich vermitteln. Damit es ein Ideal bleibt, das motiviert und leitet anstatt zu deprimieren und zu verurteilen.

In Sachen Krieg und Frieden hingegen legt die Kirche – ebenfalls mit Recht – die Messlatte beständig höher. Die jüngste Tagung im Vatikan, organisiert vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden sowie pax christi, pocht noch einmal auf das Ideal des jesuanischen Pazifismus.

Der ist in seiner Auslegung und Anwendung natürlich nicht unumstritten. Gleichzeitig mit der Tagung in Rom hat der chaldäisch-katholische Patriarch von Bagdad, Louis Sako, ein Buch veröffentlicht mit dem Titel „Marschiert endlich ein!“. Darin schreibt er, wenn man wirklich wollte, könne man den IS binnen weniger Wochen militärisch besiegen. Umgekehrt haben noch Anfang der Woche Nahoststrategen des US-Militärs der „New York Times“ bekräftigt: Militärische Siege allein ziehen keinen Frieden nach sich.

So wie es in der Sexualmoral falsch ist, mit einer Norm über alle Lebenslagen zu urteilen, trifft dies auch auf Frieden und militärische Gewalt zu. Das Evangelium Jesu Christi bleibt eine Herausforderung. Und deswegen ist es gut, dass die Kirche weiter darum ringt.

Von Roland Juchem


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