Zum dritten Mal wurde das Bistum Hildesheim für seine familienfreundliche Personalpolitik ausgezeichnet. Das bedeutet Ruhm und Ehre – und das Aufräumen mit drei vermeintlich unausrottbaren Vorurteilen.
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Morgens Personalpläne, nachmittags Zwillinge: Jacqueline Ziebler leitet die Abteilung Personal im Generalvikariat – in Teilzeit und im Team. |
Der Reihe nach: Die gemeinnützige Hertie-Stiftung ist der Meinung, dass das Bistum Hildesheim ein familienfreundlicher Arbeitgeber ist. Und das nicht zum ersten, sondern bereits zum dritten Mal. Dafür wurde das Bistum von der durch die Stiftung gegründeten „berufundfamilie gGmbH“ ausgezeichnet. Das Zertifikat wurde der Familienbeauftragten des Bistums, Maria von Berg, im Rahmen einer Feierstunde in Berlin übergeben.
Drei Monate lang hatten Prüfer von „berufundfamilie“ die Anstrengungen des Bistums in Sachen Familienfreundlichkeit auf den Prüfstand gestellt – das sogenannte „audit“.Sie hatten einiges zu tun.
„Das Bistum bietet seinen Mitarbeitenden zahlreiche Hilfen, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen oder sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern“, sagt Maria von Berg. Flexible Arbeitszeiten, verschiedene Arbeitszeitmodelle und die Unterstützung junger Familien gehören dazu. Führungskräfte haben die Möglichkeit, in Teilzeit zu arbeiten. Außerdem werden Mitarbeitende für die Pflege Angehöriger bei Bedarf freigestellt, wie es das zum 1. Januar 2015 neu geregelte Pflegezeitgesetz vorsieht.
Leitung geht nur Vollzeit: Stimmt nicht
Was mit „Zeiten“, „Modelle“ und „Freistellung“ eher technisch klingt, räumt gleichzeitig mit vermeintlich unausrottbaren Vorurteilen auf. Vorurteil eins: Wer leitet, muss morgens der Erste und abends der Letzte sein. Und mindestens 80 Stunden in der Woche arbeiten. „Nein, das geht auch ganz anders“, sagt Jacqueline Ziebler. Sie teilt sich mit einer Kollegin eine Leitungsstelle in der Hauptabteilung Personal/Verwaltung im Generalvikariat. Die Mutter von Zwillingen wollte beides: „Mich um die Familie kümmern, aber auch beruflich weiter fortkommen.“ Als das Angebot kam, ihre jetzige Tätigkeit zu übernehmen – und das noch in Teilzeit – musste sie nicht lange überlegen. Jetzt arbeitet sie an vier Tagen in der Woche vormittags und erledigt Aufgaben auch von zu Hause aus: „Das erfordert natürlich schon genaue Planung“, sagt sie. Aber es funktioniert.
Männer gehen im Job auf: Stimmt auch nicht
Vorurteil Nummer zwei: Männer gehen immer in ihrem Job auf. Um Familie sorgen sie sich nicht. Deshalb muss ein Arbeitgeber auch nichts machen. „Stimmt definitiv nicht“, sagt Matthias Thume. Er ist Projektmitarbeiter im Fachbereich Jugendpastoral im Generalvikariat. Kein reiner Schreibtischjob, Außentermine, auch Arbeit an Wochenenden.
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Matthias Thume will nicht der „abwesende Vater“ sein und kann seine Arbeitszeiten entsprechend einteilen. Fotos: Wala |
Trotzdem will der zweifache Vater nicht nur „der Abwesende“ bei seinen Kindern sein. „Ich habe jeweils zwei Monate Elternzeit sehr genossen“, berichtet Thume. Dabei sollte es nicht bleiben – trotz Vollzeitstelle. Er stellte seine Arbeitszeit um, beginnt nun an zwei Tagen erst, wenn seine Kollegen fast schon wieder nach Hause gehen. Der Gewinn: „An zwei Tagen kann ich richtig Vater sein.“ Das tut nicht nur den Kindern gut. Auch Thume und seiner Frau – und letzten Endes auch den Kollegen in der Abteilung: „Auch wenn es natürlich für alle eine Herausforderung ist“, meint Thume.
Schwanger heißt Problem: Stimmt erst recht nicht
Das hartnäckigste Vorurteil: Schwanger geht gar nicht. Und junge Mutter auch nicht. Das stimmt nun ganz und gar nicht, meint Christiane Schubert. Sie ist Referentin für interreligiösen Dialog im Generalvikariat und mittlerweile zweifache Mutter geworden.
Ausbildung abgeschlossen, Schritte ins Berufsleben und Familie: Für Christiane Schubert und ihren Mann kam das alles gleichzeitig. „Ich habe in Gesprächen bei anderen Bewerbungen gemerkt, dass mir da Vorurteile entgegenschlagen.“ Nicht so beim Bistum Hildesheim: „Irgendwie waren Schwangerschaft, Mutterschutz und flexible Arbeitszeiten nie ein echtes Problemthema.“ Es wurde möglich gemacht – einschließlich Kinderwagen auf dem Flur oder Stillzeiten im Büro. „Ich hatte den Eindruck, das hat hier alle gefreut“, berichtet Schubert. Und eben jene flexiblen Arbeitszeiten in einer Teilzeitstelle, die für eine junge Mutter unumgänglich sind: „Das alles hat uns zum zweiten Kind ermutigt.“
Schubert schätzt die Abwechslung zwischen Beruf und Familie. Jetzt mit dem zweiten Kind hat sie ihre Arbeitszeit noch mal reduziert – statt einer längeren Auszeit: „Auch das war kein Problem.“ Ähnlich flexibel arbeitet ihr Mann: „Gut für unser Familienleben.“
ach dem Zertifikat ist vor der nächsten Überprüfung. Das Dokument gilt für drei Jahre. Danach kann sich das Bistum erneut testen lassen und darf das Qualitätssiegel wiederum drei Jahre führen. Familienfreundlichkeit ist ein Marathonlauf. Aber er trainiert. Nicht nur das Gewissen. Sondern zeigt, was möglich ist.
Rüdiger Wala
Seit 1999 vergibt die von der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung gegründete berufundfamilie gGmbH ein Zertifikat, das Unternehmen und Einrichtung die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bescheinigt. Der Vergabe geht eine Untersuchung, ein sogenanntes „audit“ voraus: Dabei werden der Sachstand der bereits angebotenen Maßnahmen zur besseren Balance von Beruf und Familie erhoben, weitere Möglichkeiten entwickelt und mit verbindlichen Zielvereinbarungen das „Familienbewusstsein in der Unternehmenskultur verankert“, wie es heißt. Die Umsetzung wird überprüft.
Weitere Informationen im Internet unter www.beruf-und-familie.de