Ein geistiges Werk der Barmherzigkeit: Zweifelnde beraten
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Ein versierter Ratgeber: Klemens Maria Hofbauer Foto: wikimedia/Ledl |
Eine schillernde Figur, impulsiv, zuweilen aufbrausend und gar jähzornig; er liebte Gottesdienste mit üppigem Zeremoniell und predigte mitreißend, er kümmerte sich rührend um Arme, Kranke und Sterbende und verkehrte souverän in Adels-, Politiker- und Künstlerkreisen.
Freilich kennt den heiligen Klemens Maria Hofbauer kaum wer. Dass der gelernte Bäcker auf den Buntglasfenstern der Wiener „Kirche am Steinhof“ (Foto) abgebildet ist, hat nicht zuletzt lokalpatriotische Gründe: Er ist Stadtpatron der österreichischen Metropole. Hier hat der 1751 geborene Redemptoristenpater gut zwei Jahrzehnte lang gewirkt, hier ist er 1820 gestorben.
Hofbauer würde sich als Repräsentant gleich mehrerer geistiger und leiblicher Werke der Barmherzigkeit eignen. Aber Zweifelnde beraten – das konnte er offenbar besonders gut. Wobei sich an ihm außerdem besonders gut ablesen lässt, dass dieses Ratgeben ein durchaus anspruchsvolles Geschäft ist.
Hofbauer galt als gesuchter Beichtvater. Bedeutende Persönlichkeiten schätzten ihn als geistlichen Begleiter. Junge Leute versammelten sich zu religiösen Gesprächen in seiner Wohnung, auf Orientierung für ihr Leben hoffend. Ein erstes Kennzeichen guter Ratgeber also: Sie tun ihr Werk nicht ungefragt. Sie bauen sich nicht vor einem auf, die Arme in die Hüften gestemmt, und machen ihr moralisches Angebot: „Wenn ich dir mal einen guten Rat geben darf …“ Nein, sie drängen sich den Leuten nicht auf. Wissend: Auch Ratschläge sind Schläge.
Von Hofbauer wird rühmend berichtet, er habe so manchem den Weg in die Kirche geebnet und so einige Konversionen bewirkt. Hoppla. Das gute Werk des guten Beratens – es wird gar nicht uneigennützig getan? Es soll vor allem neue Schäfchen ködern? Gut, Hofbauer galt als Vollblutmissionar. Mag sein, dass er als Ratgeber Nebenabsichten im Hinterkopf hatte. Aber bedeutsam ist doch ein anderer Punkt: Wer anderen die Unsicherheit nehmen will, braucht selbst einen sicheren Stand. Kann denn ein Wankelmütiger Wankende stützen? Nein, gute Ratgeber sind gefestigte Menschen. Sie wissen, wo’s langgeht – falls andere denselben Weg einschlagen, spricht das in erster Linie für den Weg.
Hofbauer, heißt es schließlich, konnte mit allen. Ob Jungspund oder Greisin, Analphabetin oder Dichterfürst, Hungerleider oder Millionärin, Dienstmagd oder Kaiser – offenbar bediente er nicht irgendein bestimmtes Klientel, einen Adressatenkreis, eine Zielgruppe. Einerseits. Andererseits war er durchaus umstritten und angefeindet; er war keineswegs jedermanns Liebling – und legte es anscheinend auch überhaupt nicht darauf an. Sprich: Der gute Ratgeber sieht den Menschen, der Beistand benötigt – ob er was und was er darstellt, zählt nicht. Bekommt der Ratgeber Dank, Beifall, Zuneigung? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Darf keine Rolle spielen.
Von Hubertus Büker