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Mit Stern, Halbmond und Fisch

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Karnevalsumzug in Braunschweig will Zeichen für religiöse Toleranz setzen

„Jetzt erst recht“: Hinter dem Leitgedanken des Braunschweiger Straßenkarnevals, dem „Schoduvel“ steckt weit mehr als nur Trotz: Der Karneval kann Religionen verbinden.

Davidstern, Halbmond und der Fisch als Zeichen für die Christenheit: Mit der Gestaltung des Ordens will Zugmarschall Gerhard Baller die die Religionen verbindende Bedeutung des Karnevals unterstreichen. Foto: Wala

Der Schock saß tief im letzten Jahr: Nur eine Stunde bevor es losgehen sollte, wurde der Braunschweiger Straßenumzug abgesagt. Grund war eine Terrorwarnung mit islamistischem Hintergrund. Tatverdächtige konnten jedoch keine ermittelt werden. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat ihre Untersuchungen bereits im Mai 2015 eingestellt.

Die Absage hat aber den Leitgedanken für die Schoduvel 2016 geboren: „Jetzt erst recht.“ Nicht nur aus Trotz, wie Zugmarschall Gerhard Baller betont: „Sondern weil der Karneval ein Ausdruck von Fröhlichkeit und Toleranz ist, der die Religionen und Kulturen verbinden kann.“ Gerade viele Muslime hätten nach der Absage ihre Verbundenheit mit dem Karneval betont, erzählt Baller: „Der Kontakt zu ihnen ist dadurch enger geworden, da sind neue Perspektiven entstanden.“

Viele Zeichen für religiöse Toleranz

Zwei Zeichen für religiöse Toleranz setzt der bekennende Katholik Baller selbst: mit der Gestaltung des Zugmarschallordens und den Teilnehmern auf seinen Wagen: „Ich glaube, wir schreiben damit ein Stück Kirchen- und  Religionsgeschichte.“ Denn bei ihm werden Bischof Norbert Trelle, der Landesbischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Braunschweig, Christopf Meyns, der Vorsitzende des Rates der Muslime der Löwenstadt, Hyri Aydin, und ein Vertreter der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen mitfahren.

Zweites Zeichen: der Orden des Zugmarschalls. „Wir haben ihn um die Zeichen des Judentums, des Islams und der Christenheit ergänzt“, erläutert Baller – Davidstern, Halbmond und das Symbol des Urchristentums, den Fisch. Auf Altgriechisch, der  Handelssprache im Mittelmeerraum zu Zeiten Jesu, heißt Fisch „Ichtys“: Aus den einzelnen Buchstaben lässt sich ein Glaubensbekenntnis ableiten: Jesus Christus, Gottes Sohn, Erlöser. Der Fisch wird zum Erkennungszeichen der ersten Christen.

Auch mit den besonderen Blickfängen des Straßenkarnevals, den Motivwagen, werden Akzente gesetzt. So zeigt ein Wagen ein grünes Gespenst.  Eine Dynamitstange klemmt zwischen den Zähne, die Zündschnur brennt, eine Gruppe von Menschen wird bedroht. Doch unter dem Gewand des Gespenstes ragen Menschenfüße hervor. „Terror kommt nicht aus dem Nirgendwo“, sagt Baller mit Nachdruck. Hinter der Fratze des Terrors stecken Menschen, die andere Menschen bedrohen, attackieren, in Angst und Schrecken versetzen wollen: „Das bringen wir mit dem Wagen zum  Ausdruck – und unser Engagement dagegen.“

Glitzernde Ornamente und Frachtkiste mit Aufklebern

„Baris“ – nach dem türkischen Wort für Frieden ist ein weitere Wagen benannt. Gestaltet ist er mit glitzernden orientalischen Ornamenten: „Ein echter Hingucker. Entscheidender ist aber, dass auf ihm Sunniten, Schiiten, Aleviten und Jesiden fahren.“ Mit dem Wagen werde gezeigt, dass Konfessionen kein Anlass für Feindschaft unter Menschen sein  müssen.

„Fünf Freunde“ ist der Leitgedanke eines weiteren Wagens: „Das ist wörtlich zu nehmen“, meint Schaller. Denn fünf Freunde haben sich hier zusammengetan – sie kommen aus Vietnam, Polen, der Türkei, der Elfenbeinküste und aus Deutschland. „Sie sind zusammen zur Schule gegangen, haben ihr Abitur gemacht und zeigen, dass Freundschaft Unterschiede aus Kultur, Religion und Herkunft überragt.“ Der Wagen zeigt eine Frachtkiste mit Aufkleber der Herkunftsländer und überlebensgroße Karikaturen der  Fünf. Gemeinsam stemmen sie eine Weltkugel.

Insgesamt habe die Absage im letzten Jahr das Bewusstsein für den Karneval und dessen Bedeutung geschärft, betont Baller. „Alles, was wir im Karneval machen, ist Ausdruck von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.“ Tanz, Musik, das Feiern – all das verkörpere diese Werte. „Aber solche Werte werden erst wieder deutlich, wenn man darauf verzichten muss.“ Auch diese Erkenntnis stecke hinter dem nun gewählten Leitmotiv des Schoduvels: „Jetzt erst recht.“

Rüdiger Wala

 

Den Teufel verscheuchen

Scho (scheuchen) und „duvel (Teufel): Altes Brauchtum trifft Straßenkarneval. Seit 1293 ist die Tradition des Verscheuchen des Leibhaftigen in Braunschweig überliefert, seit 2005 nennt sich der größte Karnevalsumzug im Norden so – immer am Tag vor Rosenmontag. So werden für diesen Sonntag 250 000 Besucher erwartet. Gestaltet wird der Zug von  6000 Närrinnen und Narrhalesen, darunter 50 Musikzüge und internationale Gäste aus dem Elsass wie aus Slowenien. Blickfänger sind zudem 90 große Motivwagen. Die Narren haben einiges dabei: etwa 30 Tonnen Bonschen, Waffeln, Schokoriegel und Plüschtiere. 
Der Zug wird sich um 12.40 Uhr vom Europaplatz aus in Bewegung setzen und sich vier Stunden durch die Stadt ziehen. Wer lieber von der heimischen Stube zugucken möchte: Der NDR überträgt das närrische Spektakel von 13 bis 16 Uhr live im „Dritten“.
Infos im Internet:  www.braunschweiger-karneval.de


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