Von Jesus heißt es, er sei „in allem uns gleich außer der Sünde“. Nun ist Jesus auch Kind gewesen und hat Unfug gemacht. Die völlige Sündenfreiheit ist insofern wohl eher Dogma als Realität, oder? U. F., Friedberg
In der theologischen Ethik unterscheidet man zwischen „Fehler“, „Schuld“ und „Sünde“. Fehler sind das, was wir einfach falsch machen – nicht nur sachlich, auch moralisch. Wenn wir in einer schwierigen Frage einen Weg gehen, den wir für richtig halten, auch wenn er objektiv falsch ist. So etwas gibt es bei Erwachsenen, aber natürlich noch mehr bei Kindern. Wenn sie ihren Eltern nicht gehorchen, machen sie vielleicht objektiv einen Fehler, aber für ihr Erwachsenwerden ist das gleichwohl wichtig. Dass Jesus in diesem Sinne Fehler gemacht hat – davon können wir ausgehen. Er war schließlich „wahrer Mensch“.
Anders die Schuld. Hier geht es um Fälle, in denen wir klar wissen, dass das, was wir tun, falsch ist – und wir tun es trotzdem. Den Kollegen auflaufen lassen, obwohl wir ihn rechtzeitig auf seinen Fehler aufmerksam machen könnten; den Besuch beim Vater im Altenheim aufschieben, obwohl wir wissen, dass es wichtig ist. Das eigene Gewissen zum Schweigen bringen und wissend falsch handeln – das ist „Schuld“. Ob Jesus in diesem Sinne schuldig wurde? Wahrscheinlich nicht.
Die Sünde richtet sich gegen Gott, gegen unsere Beziehung zu ihm. Wenn ich mich in meinem Tun bewusst und willentlich von ihm entferne, dann sündige ich. Zum Beispiel, indem ich den Kontakt zu ihm durch Gebet, Gottesdienst oder Bibellesen komplett abbrechen lasse.Im Vergleich zur Schuld kommt bei der Sünde also immer ein Element des Glaubens hinzu, der Beziehung zu Gott. Dass Jesus in diesem Sinne „in allem uns gleich wurde außer der Sünde“ ist daher bestimmt nicht nur Glaube, sondern Realität.
Von Susanne Haverkamp