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Jetzt ist der Papst am Zug

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Familiensynode

Viele Kommentatoren sind enttäuscht: Drei Wochen tagte in Rom die Bischofssynode zur Familie. Am Ende ohne die erhofften Umwälzungen. Aber mit weltlichen Maßstäben sind kirchliche Prozesse nicht zu messen.

 

Papst Franziskus muss nun entscheiden, wie er mit dem Abschlussdokument der Synode umgeht. Foto: kna-bild

Die deutschen Synodenteilnehmer hatten schon seit Monaten versucht, die hohen Erwartungen an das Treffen zu dämpfen. „Wenn die Synode die Türen nur offen lässt“, war zuletzt das Ziel, das Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof Heiner Koch und Bischof Franz-Josef Bode formulierten. Gemessen daran ist die Synode tatsächlich ein Erfolg. 

Für die deutschen Bischöfe öffnet die Synode Türen für einen anderen pastoralen Umgang mit Familien in unterschiedlichen Lebenslagen. Das Abschlusspapier, das am vergangenen Samstag von der Synode verabschiedet wurde, verzichtet auf Verurteilungen oder Sündenvorwürfe. „Der Duktus des Papiers ist wichtiger als einzelne Punkte“, kommentierte Osnabrücks Bischof Bode nach der Synode. „Der Text öffnet Türen für den Umgang mit Familien in schwierigen Verhältnissen“, sagte Kardinal Marx. 

In der Tat ist das der Erfolg der Synode: Die in Rom versammelten Bischöfe verzichten nach intensiver und kontroverser Diskussion darauf, diejenigen als Sünder zu brandmarken, die nicht dem kirchlichen Familienideal entsprechen. Oder die Unmöglichkeit des Sakramentenempfangs für wiederverheiratet Geschiedene herauszustellen, wie manch ein Synodenvater das gerne gehabt hätte. Stattdessen folgt die Synode dem Beispiel des Papstes: Stellt das Positive in den Mittelpunkt, lobt das Gute und die Ideale im Leben der Menschen. 

„Die erste Pflicht der Kirche ist nicht die, Verurteilungen und Bannflüche auszuteilen, sondern ... die Barmherzigkeit Gottes zu verkünden“, hatte der Papst selbst in seiner Abschlussansprache gesagt. Was das konkret heißt, lässt sich in einer Weltkirche gar nicht so genau festlegen: Was für den einen Bischof „als normal erscheint“, könne sich für einen Bischof aus einer anderen Region „als seltsam, beinahe wie ein Skandal herausstellen“, beschreibt der Papst die große weltkirchliche Vielfalt. 

 

Nicht eine neue Lehre, aber eine barmherzige Praxis

Er will, dass die Kirche aufbricht – daher die beiden Synoden zur Familie, die Umfragen bei den Gläubigen. In seinen Predigten macht Franziskus klar, wohin die Reise gehen soll: Nicht zu einer neuen Lehre, aber zu einer barmherzigen Praxis, die auch auf kulturelle Eigenheiten Rücksicht nimmt. Gleichzeitig muss der Papst Rücksicht nehmen. Auf die Einheit der Kirche. Denn neben der „Kirche der Barmherzigkeit“ des Papstes gibt es eine „Kirche der Schriftgelehrten“, wie der Vatikanjournalist Marco Politi sagt. 

Der Papst findet gegenüber einer allzu rigorosen Haltung zwar kritische Worte, verurteilt deren Fürsprecher aber nicht, sondern versucht sie mitzunehmen. Ganz so, wie man sich den kirchlichen Umgang mit Familien vorstellt, die nicht dem Ideal entsprechen.

Doch nun ist Franziskus selbst am Zug: Schließlich ist die Synode ein Beratungsorgan für den Papst. Er muss entscheiden, was daraus folgt. Am 8. Dezember beginnt das „Jahr der Barmherzigkeit“. Ausdrücklich hat der Papst die Familiensynode in den Zusammenhang dieses Jahres gestellt. Vielleicht macht er bald selbst klar, was er darunter versteht.

Von Ulrich Waschki


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