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Watschn von den Bischöfen

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Herbstvollversammlung in Fulda

Der Umgang mit den vielen Flüchtlingen in Deutschland war Thema bei der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda. Scharfe Kritik gab es für die CSU, Angela Merkel erhielt Lob.

Noch bis zum 24. September tagen die deutschen Bischöfe in Fulda. Foto: kna-bild

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki zeigt sich kämpferisch und scharfzüngig: Vom Priesterseminar in Fulda, wo derzeit die Deutsche Bischofskonferenz tagt, schickte er eine gepfefferte Botschaft ins vormalige Kloster Banz in Franken, wo sich die CSU-Landtagsfraktion mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban treffen will. Er habe nichts gegen ein Gespräch mit Orban, sagte Woelki am Dienstag vor Journalisten. Entscheidend sei das Signal, das die CSU damit bezwecke. Um dann mit Blick auf Orbans Abschottungspolitik hinzuzufügen: "Stacheldraht, Schlagstöcke und Nebelbomben können kein Mittel sein, um traumatisierte Flüchtlinge von den Grenzen abzuhalten." 

Lob der Bischöfe, die sich bei ihrer Vollversammlung zwei Tage Zeit für das Flüchtlingsthema nehmen, erhielt dagegen Angela Merkel (CDU). "Ich danke der Bundesregierung für ihre Bereitschaft, eine so große Zahl von Menschen aufzunehmen", sagte der Vorsitzende der Konferenz, Kardinal Reinhard Marx. "Die Bundeskanzlerin und die ganze Regierung haben den Menschen in Deutschland das Signal gegeben: Wir nehmen diese Herausforderung an und wir werden sie bestehen, wenn alle Kräfte der Gesellschaft zusammenwirken."
 

Faires Asylverfahren - für jeden

Kardinal Rainer Maria Woelki kritisierte die CSU
für das Gespräch mit dem ungarischen Ministerpräsidenten
Viktor Orban. Foto: kna-bild

Komplett einverstanden mit der Linie der Bundesregierung sind die 66 Bischöfe dennoch nicht. Sie sorgen sich, dass das Asylrecht ausgehöhlt werden könnte. "Jeder Mensch, der in unserem Land um Schutz bittet, hat ein Recht auf ein individuelles, rasches, faires und unvoreingenommenes Asylverfahren - unabhängig von seinem Herkunftsland", beschrieb der Vorsitzende der Migrationskommission, Bischof Norbert Trelle, eine rote Linie. Der Hildesheimer Bischof forderte zugleich eine menschenwürdige Behandlung der Flüchtlinge. Leistungskürzungen seien enge Grenzen gesetzt, wie auch das Bundesverfassungsgericht entschieden habe. 

Die Bischöfe wollten ihre Konferenz zugleich dazu nutzen, das Engagement der Kirche deutlicher zu präsentieren. "Wir kümmern uns schon lange um Flüchtlinge und fangen nicht von vorne an", sagte Kardinal Marx selbstbewusst. Und trotzdem musste der Münchner Erzbischof einräumen, dass die Kirche als Anwalt und Helfer von Flüchtlingen zu wenig wahrgenommen werde. Zu unübersichtlich, was Diözesen, Gemeinden, Verbände, kirchliche Schulen und Ordensgemeinschaften alles auf die Beine stellen. "Wir sind ja kein Großkonzern, der mal schnell seine Zahlen abrufen kann", so Marx.  

Ein paar Zahlen präsentierte der Kardinal dennoch: Nach vorläufigen Schätzungen haben Diözesen, Gemeinden und Hilfswerke 2015 Sondermittel von mindestens 98,6 Millionen Euro für die Flüchtlingsarbeit zur Verfügung gestellt. Davon seien 32,1 Millionen Euro für die Arbeit der Hilfswerke in den Herkunftsländern und 66,5 Millionen Euro für das Inland gedacht. Mehr als 800 Wohnobjekte seien mietfrei zur Verfügung gestellt worden. Rund 3.000 hauptamtliche Mitarbeiter engagierten sich für Flüchtlinge. Die Zahl der ehrenamtlichen Helfer wird auf 100.000 geschätzt.  
 

Sorge um Flüchtlinge verändert kirchliches Leben

Nicht in der Rechnung erscheint, was Verbände, Caritas-Beratungsstellen und private Initiativen an Hilfen und Zeit - etwa für schwangere Frauen, Übersetzungen oder Rechtsberatung - schon lange anbieten, derzeit aber verstärkt. Da finden im früheren Bettenhaus des Berliner St. Hedwig-Krankenhauses etwa 100 Flüchtlinge eine vorübergehende Bleibe, betreut vom örtlichen Caritasverband. Da baut der Hallenser Medizinstudent Marcus Uhlig, Stipendiat des katholischen Begabtenförderungswerks Cusanuswerk, einen Dolmetscherdienst per Telefon für Flüchtlinge auf. Und die bundesweit über 300 Schwangerenberatungsstellen von Caritas und Sozialdienst katholischer Frauen kümmern sich um eine wachsende Zahl von Flüchtlingsfrauen in Notsituationen. 

Für die Bischöfe steht fest: Die Sorge um Flüchtlinge verändert auch das kirchliche Leben und gibt ihm einen neuen Schub. "Wir Christen kümmern uns um Menschen in Not. Wir sind offen und gastfreundlich", erklärte der in der Flüchtlingshilfe stark engagierte Viernheimer Pfarrer Angelo Stipinovich am Montag vor den Bischöfen. "Das ist doch eine sensationelle Botschaft für Deutschland, aber auch für die ganze Welt."

kna


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