Gerade wurde überall darüber berichtet, dass der Papst erlaubt hat, dass im Heiligen Jahr alle Priester von der Sünde der Abtreibung lossprechen dürfen. Warum dürfen sie es sonst nicht?
Fangen wir mit der Situation in Deutschland an. Hier – wie etwa auch in Österreich und der Schweiz – dürfen Priester das schon. Genauer: Sie dürfen es seit 1983, als die Bischofskonferenz in Rom eine Sonderregelung für den deutschsprachigen Raum erwirkt hat. Das wurde in der Berichterstattung kaum erwähnt, führt aber dazu, dass die päpstliche Sondererlaubnis bei uns keine Auswirkungen hat.
Und in der Tat berichten vor allem Priester, die in besonderen Beichtzentren tätig sind, dass das vorkommt. Dass Frauen diese Schuld oft jahrzehntelang mit sich herumtragen und endlich Vergebung suchen, Versöhnung mit Gott und der Kirche. Sie auf eine bischöfliche Instanz zu verweisen, wäre auch pastoral kaum zu verantworten.
Doch weltkirchlich ist die Regelung anders, und vermutlich kennt der Papst es aus Argentinien anders. Das liegt daran, dass alle, die an einer Abtreibung beteiligt sind (Mutter, Vater, Arzt, Hebamme), sich nach Canon 1383 des Kirchenrechts die „Tatstrafe der Exkommunikation“ zuziehen. Das heißt: Mit der Tat hat man sich selbst exkommuniziert. Eine Exkommunikation ist aber eine solch schwere Strafe, dass eigentlich nur ein Bischof sie wieder aufheben kann. Es geht also nicht einfach um Lossprechung von Sünden, sondern um die Aufhebung der Exkommunikation.
Allerdings gibt es auch im allgemeinen Kirchenrecht zwei konkret benannte Ausnahmen. Die eine ist Todesgefahr, bei der jeder Priester die Lossprechung erteilen darf. Die zweite ist der etwas schwammig formulierte Canon 1357. Dort heißt es, dass jeder Beichtvater auch die Tatstrafe der Exkommunikation (unter anderem im Falle von Abtreibung) nachlassen kann, wenn es für den Reuigen „hart ist, im Stande schwerer Sünde für den Zeitraum zu verbleiben, der notwendig ist, damit der zuständige Obere Vorsorge treffen kann“. Und das gibt weltweit einen „pastoralen Spielraum“.
Von Susanne Haverkamp