Die Erwartungen an die bevorstehende Weltbischofssynode zu Ehe und Familie sind immens. Das werde nicht ohne Enttäuschungen enden, ist sich Familienbischof Erzbischof Heiner Koch sicher.
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Familienbischof Heiner Koch Foto: kna-bild |
Herr Erzbischof, was erhoffen Sie sich von der Familiensynode?
Ich hoffe, dass unterschiedliche Bewertungen, Wahrnehmungen und Kulturen zusammenkommen und viele Vertreter der Weltkirche, die nach Rom kommen, bereit sind, von den anderen zu lernen. Außerdem hoffe ich, dass es vor allen kritischen Themen gelingt, die frohe Botschaft vom Sakrament der Ehe in eine ganz neue Sprache zu übersetzen. Wichtig ist, dass überhaupt erst einmal deutlich wird, was es in einer pluralen Gesellschaft heißt, als Christ zu heiraten, das Sakrament der Ehe zu leben, und zwar profiliert und einladend. Wenn es uns nicht gelingt, einen Funken überspringen zu lassen, werden wir alle kritischen Fragen vergessen können.
Warum ist Ihnen das so wichtig?
Ich erlebe immer mehr - auch in kirchlichen Kreisen, dass kaum einer richtig formulieren kann, was das Besondere einer christlichen Ehe ist. Ich entsinne mich an meine Zeit als Studentenpfarrer, als schon junge Paare zu mir kamen und mich fragten, warum sie eigentlich kirchlich heiraten sollten. Da war eine traditionelle Institution völlig verloren gegangen. Heute, wo es nicht mehr selbstverständlich ist, müssen wir klar machen, dass die Ehe zum Heil und zur Schöpfungsordnung gehört und eine Berufung ist. Wenn uns das nicht einladend und begeisternd gelingt, ist alles umsonst. Ich habe zweimal bei Trauungen erlebt, dass das Brautpaar am Anfang erklärt hat, warum es kirchlich heiratet. Da hätte man hören können, wenn eine Stecknadel fällt, bei all den ungetauften Gästen, die so aufmerksam zuhörten.
Welche weiteren Themen liegen Ihnen am Herzen?
Es sind die Familien, in denen ein Elternteil ein engagierter Christ ist und der andere dies vehement ablehnt. Wie ist in solchen Familien eine christliche Erziehung möglich, frage ich mich. Zudem müssen wir bei der Synode aufpassen, dass nicht nur junge Familien im Blickpunkt stehen. Ehe und Familie betreffen Menschen aller Altersstufen, auch die kranken und alten Menschen. Das Thema Sterbehilfe ist auch ein Thema der Familie. Und das Thema Flüchtlingsfamilien sollte dringend zur Sprache kommen. Ich erlebe unter ihnen viele Familien, die zerrissen sind oder sich fern der Heimat wiederfinden müssen.
Ein heißes Eisen zumindest aus deutscher Sicht sind die wiederverheirateten Geschiedenen...
Auch darüber dürfen wir nicht schweigen. Die Zulassung von Wiederverheirateten zur Eucharistie liegt vielen Menschen hier am Herzen. Die Zahl derer, die eine ganz tiefe eucharistische Frömmigkeit haben und darunter leiden, dass sie nicht zur Kommunion gehen können, scheint mir nicht mal so hoch zu sein. Aber dahinter stehen für viele ganz andere Fragen: nach Gott und der Kirche, der Barmherzigkeit und dem Vorrang des Einzelnen vor der Ordnung oder umgekehrt.
Wenn Homosexuelle oder Geschiedene zu Ihnen kommen und fragen, was sie von der Synode erwarten können, was sagen Sie Ihnen?
Sie können zumindest erwarten, dass wir ihre Anliegen, ihre Sichtweise zur Sprache bringen werden. Mehr können wir vorab nicht sagen. Wenn ich im Ausland bin und mit anderen Bischöfen spreche, merke ich, wie unterschiedlich die Positionen und Bewertungen, ja die Themen mit Blick auf die Familie überhaupt, sind. Zu welchen Überlegungen die Synode kommt und was der Heilige Vater dann daraus macht, worauf es dann letztendlich ankommt, das haben wir nicht in der Hand, das weiß ich nicht.
Wie bereiten Sie sich auf den Sitzungsmarathon vor?
Seit ich weiß, dass ich diese Aufgabe übernehme, lese ich sehr viel theologische Literatur zu diesem Thema. Das Hauptproblem ist, dass mit dem Thema Familie sehr viele Hintergrundfragen verbunden sind, von denen man sich ein solides Bild machen muss: Naturrecht, Sakramentenverständnis, Kirchenverständnis, Freiheit, Bindung, Individualität, Position des Staates, Begriff der Ehe. Und seit Wochen bin ich damit beschäftigt, Briefe und E-Mails von Menschen, die mir zu dem Thema schreiben, zu lesen und vielleicht auch kurz zu beantworten. Das ist inzwischen ein Fulltimejob geworden.
Was schreiben Ihnen die Leute denn so?
Die Positionen sind oft völlig gegenläufig: "Sie werden doch nicht die katholische Lehre und Tradition verraten?" bis hin zu "Sie werden doch nicht den Menschen verraten um der Lehre willen?". Was mich am meisten bedrückt, ist die Frage, wie wir weiter miteinander leben als Kirche mit Menschen in unseren Reihen, die wahrscheinlich enttäuscht sein werden vom Ergebnis der Synode. Die Ansätze sind so konträr und so unversöhnlich in manchen Punkten, dass ich da große Bedenken habe.
Sind die Erwartungen an die Familiensynode überzogen?
Eindeutig ja. Inzwischen werden damit Megathemen verbunden bis hin zum Eucharistieverständnis, zur Frage der kirchlichen Autorität und ihrer Grenzen und zur Frage nach dem Ehebegriff. Das geht weit über das eigentliche pastorale Thema hinaus. Ich weiß nicht, wie das in der kurzen Zeit von drei Wochen erarbeitet werden soll. Es wäre besser gewesen, die Themenauswahl zu beschränken und zu sagen, dass andere Themen bei einem nächsten Mal besprochen werden müssen.
kna