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Sportlich gegen Vorurteile

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Makkabi-Spiele in Berlin

Über 2000 jüdische Sportler messen sich in Berlin in verschiedenen Disziplinen. Ein kleines Olympiafest - und ein Sieg über die Geschichte.

 

Zum ersten Mal finden die jüdischen Makkabi-Spiele in Deutschland statt. Über 2000 Sportler beteiligen sich daran in Berlin. Foto: European Maccabi Games /Rafael Herlich

Die Anspannung ist auch für den Beobachter spürbar: Konzentriert sitzen die Spieler vor ihren Tischen. Manche haben die Gesichter auf den Händen abgestützt und betrachten die Figuren auf dem Spielbrett. Auf dem Tisch des Wertungsrichters steht eine große Schale mit Bananen - Nervennahrung. 

Neben Schwimmen oder Fußball ist Schach eine der Disziplinen bei den Europäischen Makkabi Spielen in Berlin. Zehn Tage lang kämpfen rund 2.300 Teilnehmer um Medaillen - erstmals in Deutschland. 

Einer der Schachspieler ist Adam Branova aus den USA. Der Student nimmt das erste Mal an den Makkabi Spielen in Europa teil. "Darüber, dass es nun ausgerechnet nach Deutschland gehen musste, war vor allem meine Mutter anfangs nicht glücklich", erzählt Branova. 

Seine Eltern stammen aus Warschau und haben, wie der junge Schachspieler es nennt, ein "anderes Deutschland" kennengelernt. "Ich will mir mein eigenes Bild machen. Und ich habe schon viele nette Leute kennengelernt", erklärt Branova. Und natürlich ist die Makkabiade für ihn die Möglichkeit, sich mit Schachgrößen anderer Länder zu messen.
 

Zehn Wettkampftage in Berlin

Adam Branova nimmt an den Makkabi-Spielen teil. 
Foto: kna-bild

Die größte jüdische Sportveranstaltung Europas fand das erste Mal im Jahr 1932 statt. Seit Montag kämpfen in diesem Jahr rund 2.300 jüdische Athleten aus 38 Ländern zehn Tage lang um Medaillen. 

Genau 70 Jahre nach dem Ende des Dritten Reichs finden die Makkabi Spiele in Deutschland statt, größtenteils im Berliner Olympiapark. An diesem Ort wurden 1936 die Olympischen Spiele unter der Naziherrschaft ausgetragen - damals wurden jüdische Sportler von den Wettkämpfen ausgeschlossen. 

Neben Exoten wie Schach oder Bridge sind aber auch klassisch olympische Sportarten bei der Makkabiade vertreten - wie etwa Schwimmen. Rund um das Freibad feuern die Zuschauer die Athleten an. Jonathan Ben Shlomo steht mit verschränkten Armen am Beckenrand und lächelt zufrieden. Gerade sind zwei "seiner" Schwimmer an den Start gegangen. Der 34-Jährige betreut die Jugendmannschaft der deutschen Delegation bei den Makkabi-Spielen. 

Vor 18 Jahren hat er das erste Mal selbst an den jüdischen Wettkämpfen teilgenommen. "Ich habe einen starken Bezug zu Israel", begründet Ben Shlomo sein Engagement. Daher hat er einen Austausch zwischen den Schwimmteams der Universitäten Freiburg und Tel Aviv organisiert.
 

Ein Neuanfang

Jonathan Ben Shlomo betreut die
deutsche Jugendmannschaft bei den Spielen. Foto: kna-bild

Ein paar hundert Meter weiter trainieren die Spieler des Bundesligavereins Hertha BSC Berlin. Gleich nebenan liegt das Hockeyfeld. Zu den Spielern gehört auch Gert Rosenthal. Der 56-jährige Sohn des jüdischen Showmasters Hans Rosenthal ("Dalli Dalli") ist sportbegeistert. Er betreut außerdem das Hockeyteam einer seiner Töchter.

Der Rechtsanwalt freut sich über Berlin als Austragungsort. "Wer Jude ist, wird hier sehen, dass Deutschland für ihn ein lebenswertes Land ist. Ich sage, die Spiele müssen gerade hier veranstaltet werden." Wo der NS-Terror seinen Anfang genommen habe, zeige sich, dass ein Neuanfang möglich sei. 

Der nachdenkliche Charakter der Spiele sei aber nicht zu leugnen. "In den Reden bei der Eröffnung wurde auch an die deutsch-jüdische Geschichte erinnert." Bis heute hätten Juden nicht überall auf der Welt die Gelegenheit, an Sportwettkämpfen teilzunehmen. 

Der 56-jährige denkt dabei an den arabischen Raum. "Unter antisemitischen Bedingungen ist die Makkabi-Bewegung entstanden und solche Bedingungen herrschen bisweilen auch heute in Teilen der Welt", beklagt Rosenthal. Im Vorfeld hatte auch der Rabbiner der Jüdischen Gemeinde in Berlin, Daniel Alter, geraten, sich in bestimmten Teilen der Hauptstadt nicht als Jude erkennbar zu bewegen. 

Der 52-jährige Steven, der seinen Nachnamen nicht nennen will, ist eigens aus den USA angereist. Seine Tochter Rebecca nimmt als Hockeyspielerin an den Spielen teil. Der Vater schätzt die Makkabi Spiele - auch, weil alle Sportler derselben Religion angehören. "Ein Wettkampf in freundlicher Atmosphäre", beschreibt der Amerikaner die familiäre Stimmung.

Er bestätigt Gert Rosenthals Ansicht der Veranstaltung als Mittel gegen Vorurteile: "Wir verbinden die Zeit in Berlin natürlich mit ein wenig Urlaub hier. Deutschland ist ein großartiges Land, die Menschen sind sehr freundlich."

 

Hintergrund: Makkabi-Spiele

 Die European Maccabi Games sind die größte jüdische Sportveranstaltung Europas. Die erste "Makkabiade" fand 1932 statt. Seit Montag kämpfen in diesem Jahr rund 2.300 jüdische Athleten aus 38 Ländern zehn Tage lang um Medaillen. Zu den 19 Disziplinen gehören Badminton, Schwimmen und Fußball, aber auch Bridge und Schach. 

 

 

Der Makkabi-Sportverband entstand Anfang des 20. Jahrhunderts als Antwort auf den wachsenden Antisemitismus. 1921 wurde der Makkabi-Weltverband beim 21. Zionistischen Weltkongress im tschechischen Karlsbad (Karlovy Vary) gegründet. Präsident wurde der Deutsche Heinrich Kuhn. Nach der Judenverfolgung unter der NS-Diktatur wurde der Makkabi Verein Deutschland vor 50 Jahren wiedereröffnet.

Genau 70 Jahre nach dem Ende des Holocaust finden die 14. European Maccabi Games erstmalig in Deutschland statt. Mit 365 Athleten ist die deutsche Delegation in diesem Jahr die größte bei den Wettkämpfen und in der Geschichte der Sportspiele. 

Die Wettkämpfe finden größtenteils im Berliner Olympiapark statt. An diesem Ort wurden 1936 die Olympischen Spiele unter der Naziherrschaft ausgetragen - damals wurden jüdische Sportler von den Wettkämpfen ausgeschlossen. Im Rahmen der Sportveranstaltung wollen laut dem Präsidenten von MakkabiDeutschland, Alon Meyer, rund 600 Teilnehmer das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin besuchen.
 

kna


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