Überall ist von Abbrüchen in Sache Glaube und Kirche die Rede. Außer in der Urlauberseelsorge. „Wir wachsen eher, als dass wir schrumpfen“ – darin sind sich Seelsorger am Meer und in den Bergen einig.
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In den Sommermonaten locken Berggottesdienste viele Urlauber an. Foto: kna-bild |
Freitagvormittag um 11 auf dem Campingplatz in de Koog auf der Insel Texel. Etwa zwanzig Männer, Frauen und Kinder treffen sich am Wohnwagen der katholischen Touristenseelsorge. Sie haben Gitarren, Flöten und Rhythmusinstrumente dabei, auch Liederbücher und, ja, sogar Bibeln. Denn auf dem Programm steht „Gottesdienstvorbereitung“.
„Es ist unglaublich, dass so viele kommen“, sagt Hans-Werner Thönnes. Der Priester des Bistums Essen ist gerade von drei Wochen Texel zurückgekehrt. „Ein Teil kümmert sich um die Musik, andere setzen sich mit den Lesungstexten auseinander.“ Am Sonntag um 11 Uhr platzt die kleine Kirche in de Koog dann aus allen Nähten. Neun Wochen lang, wenn die Teams aus Essen Dienst tun.
Voll ist es auch beim Berggottesdienst in Oberstaufen. „Speziell die Sonnenaufgangs- und -untergangsgottesdienste am Hochgrat“, sagt Kurseelsorger Josef Hofmann. „Wir arbeiten dabei ökumenisch“, betont der Pastoralreferent, der mit halber Stelle für die Urlauber da ist. „Das ist sicher auch ein Erfolgsgeheimnis.“
Doch es sind nicht nur die Gottesdienste, die anziehen. „Bei der Kapellenwanderung sind wir mehrere Stunden unterwegs“, erzählt Hofmann. „Viele Gäste nutzen die Zeit, um mit mir zu reden.“ Partnerschaft, Kinder, Arbeit, Gott – alles wird besprochen. „Vielen hilft es, dass sie mich im Alltag nicht wiedersehen.“
Als ob sie auf ein Gespräch gewartet hätten
Gesprächsbedarf entdeckt auch Hans-Werner Thönnes. „Zu einem Abend zum Thema ‚Was im Leben Freude macht – und was nicht‘ sind 25 Leute gekommen“, erzählt er und staunt über die „große Offenheit“, mit der Privates und Religiöses erzählt wird. Auch die Gespräche „am Rande“, beim Frühschoppen oder auf der Kutterfahrt seien „sehr eindrucksvoll“. „Es ist, als ob manche darauf warten, endlich mal reden zu können.“
Und viele sind keine klassischen Kirchgänger. „Manche gehen seit Jahren auf Texel in die Kirche – und sonst fast gar nicht“, meint Thönnes. Auch Josef Hofmann fällt die „buntere Mischung“ auf. „Viele jüngere Leute, die man zu Hause fast nie in der Kirche sieht.“
Umso wichtiger sei es, findet Hofmann, dass die Kirche sich in diesem Bereich engagiert. „Die evangelische Kirche tut hier bei uns in Bayern viel mehr“, sagt er. Stellt Leute ein. „Bei uns muss das oft der Pfarrer mitmachen.“ Doch das hat Grenzen. „Die Leute kommen nicht von selbst“, weiß Hofmann, der schon seit 1998 in Oberstaufen arbeitet. „Man muss viel Werbung machen, passende Angebote finden.“
Niederschwellig müssten sie sein, aber nicht flach; locker, aber nicht oberflächlich. Und dann merkt man, wie sehr Menschen Seelsorge brauchen. Gerade im Urlaub, wenn man Zeit hat zu denken.
Von Susanne Haverkamp
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