Ist Jesus nun der leibliche Sohn Josefs oder nicht? Paulus scheint in seinem Römerbrief (1,1–7) etwas anderes zu sagen als die Evangelisten Matthäus (1,18–24) und Lukas (1,26–38). „Sohn Gottes“ wird Jesus nach Paulus erst durch die Auferstehung. Und Paulus war doch zeitlich viel näher dran als Matthäus. W. S., Tönisvorst
Sie sprechen zwei heikle – und heute noch schwieriger zu verstehende – Themen an: erstens die Gottessohnschaft Jesu und zweitens seine Geburt durch Maria als Jungfrau. Auch wenn beide Aussagen das Besondere an Jesus Christus hervorheben wollen, so sind es doch unterschiedliche Aussagen. Die Aussage zur Jungfrauengeburt soll das Bekenntnis zu Jesus Christus als Gottes Sohn untermauern und betonen.
Das Bekenntnis: „Ich glaube … an Jesus Chris-tus, Gottes eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria …“ ist in erster Linie eine Glaubensaussage über die Bedeutung Jesu Christi; sie ist nicht formuliert als biologisch-medizinische Diagnose. Falls Jesus biologisch der Sohn Josefs war, so interessierte das nicht. Entscheidend war die Erkenntnis: Er ist Gottes Sohn.
So wie sich die Geschichten meiner Ehe oder meines Berufslebens erst rückschauend sinnvoll erschließen, so hat sich für die Jünger erst rückschauend das Leben Jesu erschlossen. Im Wesentlichen von seiner Auferstehung her.
Ohne die wäre Jesus vielleicht provokant, beeindruckend, beispielhaft oder verrückt erschienen. Welche große Bedeutung er tatsächlich hat, erschloss sich erst nach der Auferweckung. Das spiegeln der zitierte Satz des Paulus oder die Erkenntnis der Emmausjünger: „Brannte uns nicht das Herz …“ Im Markusevangelium, als ältestes um das Jahr 70 entstanden, wird Jesus erstmals bei der Taufe durch Johannes „Sohn Gottes“ genannt. Im Johannesevangelium ist das Wort Gottes, das Mensch wird, schon vor Erschaffung der Welt vorhanden.
Übrigens: Paulus schreibt an anderer Stelle: „sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ (Gal 4,4). Auch er spricht nicht vom Sohn Josefs. Zudem kannte er, auch wenn er zeitlich „näher dran“ war, längst nicht alle Apostel.
Von Roland Juchem