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Für die Menschen am Rand

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Seit 19 Jahren hilft Familie Otto Heiligabend im Guten Hirten

Während andere schon gemütlich am Tannenbaum sitzen, ist es für Familie Otto am Heiligabend ganz normal, erst im Guten Hirten in Hildesheim zu helfen.

Diakon Wilfried Otto und seine Frau Claudia helfen seit 19 Jahren bei der Weihnachtsfeier im Guttén Hirten. Foto: Deppe

„Meine Familie kennt das gar nicht anders. Auch als ich noch Diakon in Bad Salzdetfurth war, sind sie mit mir mitgefahren und haben dort am Heiligabend die Christmette besucht“, erzählt Diakon Wilfried Otto. Danach ging es nach Haus, es gab Essen und die Bescherung. Dann wurde Otto Diakon im Guten Hirten mit Sozialem Mittagstisch und Weihnachtsfeier für sozial schwache Menschen. Auch hier gab es einen Weihnachtsgottesdienst mit einem Krippenspiel der Kinder.

Doch danach war nicht Feierabend, sondern es ging erst richtig los. Es folgten die Geschenkeausgabe und das anschließende weihnachtliche Beisammensein. „Unsere beiden Jungs mit sieben und zwölf Jahren waren damals schon alt genug und so war es für uns keine  Frage, den Heiligen Abend hier zu beginnen“, erinnert sich Claudia Otto. „Die Alternative wäre gewesen, meine Frau und die Kinder wären nach der Christmette nach Haus gefahren und ich hätte hier weitergearbeitet. Das wäre für mich die schlechteste Variante gewesen, den Heiligabend zu feiern“, betont Diakon Otto.

Schon in den Wochen vor Weihnachten hat seine Frau, Lehrerin an der Hildesheimer Sankt-Augustinus-Schule, mit Schülern Geschenke für die Weihnachtsfeier im Guten Hirten gepackt. „Da lag es ja auch nahe, diese Geschenke am Heiligabend an die Menschen zu verteilen, denen es nicht so gut geht“, sagt Claudia Otto.

Für unsere Kinder war das eine gute Erfahrung

Seit drei Jahren ist Wilfried Otto inzwischen im Ruhestand, hätte einen Schnitt machen können. „Aber uns würde was fehlen, wenn wir Weihnachten nicht mehr im Guten Hirten beginnen würden“, sagt er und fügt lächelnd hinzu: „Nur bin ich heute nicht mehr in der Verantwortung. Wir lassen uns wie alle anderen ehrenamtlichen Helfer einteilen und machen das, was gerade dran ist.“

„Für unsere Kinder war das hier eine gute Erfahrung. Noch immer helfen sie freiwillig mit. Das hat sie geprägt“, weiß Claudia Otto. „Aber wir helfen nicht allein. Immer wieder sind aus unserer Verwandtschaft welche mitgekommen oder auch Freunde und Bekannte. Und natürlich gibt es noch ganz viele andere Helfer – ohne die die inzwischen über tausend Menschen, die hierherkommen, nicht mehr bewältigt werden könnten.“

Anstrengend ist die Arbeit im Guten Hirten – gerade Heiligabend.  Auch die hauptamtlichen Mitarbeiter sind froh für jeden, der mithilft. Es ist immer der gleiche Ablauf: Gottesdienst, Geschenke verteilen, „dabei ist es besonders hektisch“, und danach gibt es Suppe, belegte Brote, bunte Teller und es wird gesungen. „Da wird es richtig besinnlich, da kommt Weihnachtsstimmung auf“, sagt Wilfried Otto, „da fließen dann bei den Besuchern auch schon mal Tränen in Erinnerung an bessere Zeiten und frühere Weihnachten.“

Man ist kaputt, aber glücklich

„Wenn unsere Kinder damals noch kleiner gewesen wären, wäre ich mit ihnen nach dem Gottesdienst nach Haus gefahren. Mit kleinen Kindern wäre Helfen nicht möglich gewesen. So war es besser. Sie waren alt genug und sind da reingewachsen. Und: Sie haben keine Berührungsängste vor anderen Menschen“, sagt Claudia Otto zurückblickend.

Ottos freuen sich schon auf den kommenden Heiligabend im Guten Hirten. „Es ist viel Arbeit und hinterher ist man zwar kaputt, aber glücklich. Es ist eine Weihnachtserfahrung, die man woanders nicht machen kann. Es ist ein so beglückendes Gefühl, wenn man schließlich nach Hause kommt.“  „Es ist eine ganz besondere Erfahrung, die wir da machen dürfen. Und ich glaube ganz sicher: Wenn Jesus heute geboren würde, er würde an einem Ort wie dem Guten Hirten geboren werden wollen“, meint Wilfried Otto, „denn Gott kommt zu den Menschen, die am Rande sind!“

Wenn schließlich gegen 21 Uhr  die Weihnachtsfeier im Guten Hirten endet, wird bei Familie Otto zu Hause Weihnachten gefeiert „mit Singen, Essen, Geschenken und vor allem Dankbarkeit im Herzen“. Um 23 Uhr geht es dann noch einmal los. „Wenn bei uns in Bettmar Christmette ist, gehen wir da noch einmal zusammen hin, und wenn nicht, dann direkt zur Begegnung ins Pfarrheim“, sagt Claudia Otto.

Ob Familie Otto auch zukünftig beim Heiligabend im Guten Hirten helfen wird, steht in den Sternen. „Das hängt von der familiären Situation ab. „Vielleicht machen wir auch mal eine Pause, setzen mal ein Jahr aus. Aber in diesem Jahr sind wir auf alle Fälle wieder mit dabei“, versichert das Ehepaar Otto.

Edmund Deppe


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