Quantcast
Channel: KirchenZeitung
Viewing all articles
Browse latest Browse all 5035

Jesus, der Brandstifter

$
0
0
Der Gottessohn und das Feuer

Feuer will er auf die Erde werfen. An diesem Sonntag zeigt Jesus sich im Evangelium nicht von seiner „lieben“ Seite. Doch mit Bildworten wie brennendem Feuer bietet die Bibel mehr Botschaften, als der flüchtige Leser zunächst ahnt.

Aus schwacher Glut Flammen entfachen: Ein Schmied an der Esse. Foto: imago

Wozu würden die Firmlinge gerne einmal Jesus interviewen? Von den Zetteln mit Jesus-Zita-ten, die auf dem Boden liegen, greift Evelyn sich einen und liest: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ „Dazu würde ich ihn schon mal gerne befragen“, sagt die Jugendliche und klingt empört. Ob er ein Brandstifter sei. Wer oder was denn da brennen soll?

Der Rabbi aus Nazaret und Gottessohn, er provoziert. Diesmal mit dem Bild des Feuers. Jesus als Flammenwerfer, Brandstifter, feuerspeiender Vulkan? Gerade in der Religion sind das keine vertrauensfördernden Bilder. Wenn – wie in unseren Tagen – religiös oder nationalistisch verblendete Eiferer verbrannte Erde und rauchende Trümmer hinterlassen, sind nüchterne, gelassene Frauen und Männer des Glaubens gefragt.

Feuer ist wie Wasser. Beide können beleben und reinigen, beide können töten und zerstören. Wenn also die Bibel drastische Bildworte verwendet oder gar zitiert, gilt es hinzuschauen: Worum geht es genau? 

Worum es Jesus als jüdischem Reformprediger – um ihn einmal so zu titulieren – ging: unter der Asche ehrwürdiger, etablierter Tradition die ursprüngliche Glut des Glaubens wieder zu entfachen. Allerdings nicht wie die Extremisten seiner Zeit, die Zeloten, die zu Attentaten und Aufständen anstachelten. Vielmehr sollen der Glaube und die Liebe zu Gott eine wärmende und leuchtende Flamme für alle Menschen werden.

„Als der Herr sagte, ‚Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu senden‘“, schrieb Bischof Ambrosius von Mailand (339–397), „da wollte er unser Streben nach seiner Gnade anfachen und in uns das Verlangen nach Gott entflammen. Es geht selbstverständlich nicht um jenes Feuer, das Hab und Gut verbrennt, sondern um das Feuer, das den guten Willen hervorbringt, das die goldenen Gefäße im Haus des Herrn läutert, das Heu und Stroh jedoch verzehrt. Das göttliche Feuer brennt alles Irdische aus, alles, was von weltlichen Begierden durchzogen ist.“ Feuer wärmt und leuchtet also nicht nur. Es reinigt auch. Befreit Äcker von Unkraut, trennt die Schlacke vom Eisenerz, dem bei über 1000 Grad Celsius unter Zufuhr von Kohlenstoff der Sauerstoff entzogen wird, wenn aus Eisenoxid – Rost – reines Metall wird.

 

„Es war, als brenne in meinem Herzen ein Feuer“

In der ersten Lesung dieses Sonntags ist von Jeremia die Rede, dem Propheten, der schrieb: „Sagte ich aber: Ich will nicht mehr an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen!, so war es mir, als brenne in meinem Herzen ein Feuer …. Ich quälte mich es auszuhalten und konnte nicht; hörte ich doch das Flüstern der vielen: … Wir wollen ihn anzeigen. Meine nächsten Bekannten warten alle darauf, dass ich stürze …“ (Jer 20,9f). Was dann auch geschehen ist, wie die erste Lesung berichtet. Wer für Gott brennt, muss mit Unverständnis, ja Anfeindungen rechnen.

Mitunter entdecken ja Menschen in sich einen Funken Glaubensglut, der durch einen Luftzug von außen zu flammender Begeisterung wird. Vor gut zwei Wochen etwa hat Daniel Böcking, langjähriger „Bild“-Reporter und heute Mitglied der Chefredaktion, sich dazu bekannt. In seinem Buch „Ein bisschen Glauben gibt es nicht“ erzählt er, „wie Gott mein Leben umkrempelt“: Über Erlebnisse nach dem verheerenden Erdbeben auf Haiti und mit dortigen Helfern im Januar 2010 und über die Tragödie bei der Love-Parade im Juli 2010 in Duisburg findet Böcking zum christlichen Glauben (zurück).

„Lange Zeit“, so schreibt er, „passte mein Glaubensbekenntnis auf einen Bierdeckel: ‚Gott ist Liebe‘. Jesus fand ich sympathisch.“ Evangelisch getauft, als Kind gelegentlich ein Abendgebet, nebenher ein bisschen gläubig, in die Kirche vielleicht zu Weihnachten. „Das hat sich radikal geändert. Ich bin zu Gott umgekehrt.“

„Du bist gläubig? Dann bist du gewiss so ein Extremist! Im bes-ten Fall stockkonservativ, intolerant – im schlimmsten Fall ein Terrorist“, formuliert er mögliche Einwände und hält dagegen: „Nein! Ich bin Christ. Glücklich. Vollzeit. Ich glaube an Jesus. So richtig. Mit Herz und Verstand und Bibel und allem, was zum Christsein dazugehört.“ Da brennt einer.

Denn ihm wurde klar: „Wenn du an Gott glaubst, dann darf das nicht nur nebenher passieren. Wenn die Jesus-Botschaft von Frieden, Vergebung und Erlösung stimmt, dann solltest du dein ganzes Leben danach ausrichten.“ Was zu einer 180-Grad-Kehre, kurz Bekehrung, führte: „Im Job (kann man auch ganz ohne Ellbogen seinen Weg gehen?), in der Freizeit (keinen Alkohol mehr, weil ich bei Partys zu gern übers Ziel hinausschoss und Mist baute), in der Familie (‚Du gehst jetzt aber nicht in eine Sekte?!‘).“

 

Mit Spaltungen rechnen, sie aber nicht noch pflegen

Wenn Jesus familiäre Spaltungen ankündigt, dann sagt er, was sein wird – nicht aber, was sein soll. Er und seine Jünger wie auch Lukas, der das aufschrieb – sie alle haben erlebt: Entschiedene Nachfolge ruft auch Kritik und Unverständnis hervor. In der Familie, unter Freunden, beim Partner. Deswegen aber muss der Christ die Spaltung nicht auch noch pflegen, es gar zum Zerwürfnis kommen lassen.

Böcking erkannte: „Als Christ hatte ich plötzlich neue Pflichten. Das Neue Testament fordert zur Nächstenliebe auf. Zur Hilfe – für alle Menschen. Zu Versöhnung, Geduld, Hingabe. Nicht zu Ablehnung und Hass.“ Seine innere Gefühlslage beschreibt er daher so: „Ich fand endlich den Sinn in allem, was ich tat. Gott antwortete mir von innen. Innere Ruhe, Frieden, Wissen, dass etwas richtig ist. In seinem Geiste. Sich richtig fühlen. Im Reinen sein.“ Gereinigt, gewärmt und erhellt durch ein Feuer, das Jesus auf die Erde geworfen hat.

Von Roland Juchem


Viewing all articles
Browse latest Browse all 5035