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Fromm sein und handeln

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Kommentar

"Diese Wirtschaft tötet", sagte Papst Franziskus während seiner Reise durch Bolivien. Doch Lösungsvorschläge haben weder er noch die Kirche. Ein Schwachpunkt seiner Kritik, sagt Ulrich Waschki in seinem Kommentar.

Wieder einmal hat Papst Franziskus gezeigt, wie er sich den Glauben und die Kirche vorstellt. Es lohnt sich, die Predigten seiner Südamerikareise zu lesen.

Ausgangspunkt allen Handelns ist für Franziskus eine tiefe Frömmigkeit, ein gelebter Glaube. Die Begegnung mit Gott gibt Inspiration, Kraft und Mut zur Umkehr. Die Kirche soll sich nicht als strenge Lehrerin mit dem Gesetzbuch in der Hand, sondern als barmherzige Mutter zeigen, offen für alle Menschen, unabhängig davon, was die auf dem Kerbholz haben mögen. „Die Kirche, wie Jesus sie möchte, ist das Haus der Gastfreundschaft“, sagt Franziskus. Selbst für Menschen, die nicht glauben.

Glauben und soziales Engagement gehören für den Papst untrennbar zusammen. Der Blick auf den leidenden Jesus hilft, die Leiden dieser Welt zu ertragen. Das ist die eine Botschaft des Papstes. Die andere: Gegen diese Leiden muss man vorgehen. Nicht mit einem theoretischen Programm, einem Aktionsplan. „Man muss das Herz verändern“, predigt der Papst Umkehr – individuell und gesellschaftlich. 

Dass die Kirche sich für eine menschenwürdige Gesellschaft einsetzt, ist für Franziskus keine Sozialarbeit, sondern Verkündigung des Evangeliums, ureigene Aufgabe der Jünger Jesu. Soziales und gesellschaftliches Engagement aus dem Geist Jesu ist Mission! Ein Rückzug in die Kirchenmauern ist nur erlaubt, um dort zu beten und Kraft zu schöpfen, um das Werk Gottes vor diesen Mauern fortzusetzen: eine Gesellschaft zu schaffen, in der nicht Macht und Geld im Mittelpunkt stehen, sondern der Mensch und das Gemeinwohl.

Dadurch kommt Franziskus zu seiner radikalen Systemkritik, wenn er – wie jetzt wieder in Bolivien – sagt: „Diese Wirtschaft tötet.“ Wenn ganze Länder, Volksgruppen und die Erde ausgebeutet werden, muss etwas schieflaufen. Stimmt. Aber wie sieht ein alternatives Wirtschaftssystem aus? Weder Papst noch Kirche haben Lösungsvorschläge, bekennt der Papst und meint: Es gibt kein Rezept. Das ist die große Schwäche seiner Kritik. Es reicht nicht, Missstände anzuprangern, wir müssen auch Lösungen vorschlagen. Und danach leben. Wie oft aber verdunkelt der Umgang der Kirche etwa mit Geld ihr Zeugnis? 

Franziskus hat einen pragmatischen Weg: Dinge ausprobieren und mit gutem Beispiel vorangehen. Das macht er selbst, wenn er vorlebt, wie Liebe, Barmherzigkeit, Bescheidenheit und Demut neu betont werden können. Ein Beispiel für uns alle in der Kirche – im Vatikan, in den Diözesen, Pfarreien und Familien.

Von Ulrich Waschki


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