Stiftung – das klingt nach Ewigkeit. So war es auch bei der Mehrzahl der 31 kirchlichen Stiftungen im Bistum Hildesheim. Doch jetzt mehren sich die Schieflagen.
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Mit einer großen Geburtstagstorte feierte Bischof Dr. Josef Homeyer im August 1999 seinen 70. Geburtstag. Ein knappes Jahr später machte er dem Bistum ein Geschenk: die Stiftung für das Leben. Ausgestattet mit einem Stiftungskapital von heute 2,7 Millionen Euro soll sie „rettendes Engagement fördern und so bewusstseinsbildend für eine Kultur des Lebens wirken“, fasste Homeyer die Absicht seiner Stiftung zusammen. Foto: Archiv |
Die Idee hat ja was für sich. Es gibt einen vergleichsweise großen Geldbetrag. Anstatt dieses Geld gleich zu verjubeln, wird es angelegt. Das bringt Zinsen – und aus diesen Zinsen wird ein bestimmter wohltätiger oder kirchlicher Zweck erfüllt. Und Steuervorteile gibt es auch noch. Eine Perspektive bis zum Tag des Jüngsten Gerichts. Das ist das Gerüst der überwiegenden Anzahl der kirchlichen Stiftungen im Bistum Hildesheim.
Andere Stiftungen sind anders angelegt. Sie nutzen zum Beispiel den doch Sicherheit ausstrahlenden Begriff der Stiftung, um Menschen zu Spenden oder zu Zustiftungen zu ermutigen, mit denen wiederum Projekte finanziert werden. Das macht zum Beispiel die Stiftung „Gemeinsam für das Leben“, die der damalige Bischof Dr. Josef Homeyer im Januar 2001 gründete.
Eine Stiftung für ein Krankenhaus
Oder es gibt Stiftungen, die eine Einrichtung unterhalten. So war bis 2013 das St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim in Trägerschaft der kirchlichen Stiftung St. Bernward, die sich wiederum aus zwei Stiftern zusammensetzte: dem Bischöflichen Stuhl in Hildesheim und der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul. Jetzt ist die kirchliche Stiftung St. Bernward Anteilseigener des Elisabeth-Vinzenz-Verbundes, zu dem das Krankenhaus nun gehört. Andere kleinere Stiftungen im Bistum verwalten beispielsweise Einnahmen aus Pachtzinsen.
Doch die Mehrzahl der kirchlichen Stiftungen folgen dem klassischen Modell: Einmalig ererbtes oder gespendetes Geld soll einen bestimmten Verwendungszweck erfüllen. Doch genau ihr Fundament ist jetzt erschüttert. Schuld sind die historisch niedrigen Zinsen, die Stiftungen am Kapitalmarkt erwirtschaften können. Wer beispielsweise 1981 eine Stiftung gegründet hat, ging noch von einem Zinsniveau von über zehn Prozent aus. Davon konnten Stiftungszwecke wie der Bauunterhalt einer Kirche oder das Beschäftigen eines Küsters gewährleistet werden. 20 Jahre später lag das Zinsniveau noch bei um fünf Prozent. Heute sind es 0,5 Prozent – und damit praktisch nichts.
Hinzu kommt noch ein weiteres Problem. Im Niedersächsischen Stiftungsgesetz findet sich der Satz: „Das Stiftungsvermögen ist in seinem Bestand ungeschmälert zu erhalten.“ Das bedeutet nicht nur, dass das Kapital in seinem Wert erhalten werden muss. Zusätzlich muss auch ein Inflationsausgleich erfolgen, damit der Wert des Kapitals nicht vermindert wird. Ein Teil der Zinserlöse muss dazu verwendet werden, den Wert des Stiftungskapitals aufrechtzuerhalten.
Diesen „realen Vermögenserhalt“ stellt auch die „Richtlinie für Kapitalanlagen“ in den Mittelpunkt, die im Februar diesen Jahres durch das Bistum erlassen wurde. Der Erhalt hat Vorrang vor dem Erzielen von Ertrag – und damit vor den mit der Anlage von Kapital eingehenden Risiken. Insgesamt hat das Bistum aber die Anlagemöglichkeiten erweitert. So können in Fonds Unternehmensanleihen, Aktien oder Immobilien gezeichnet werden. Allerdings nur bis zu einer Höhe von maximal 20 Prozent der Kapitalanlage. Grundsätzlich gilt: Ethische und nachhaltige Kriterien sind zu beachten. Kredite dürfen zur Finanzierung von Kapitalanlagen nicht aufgenommen werden.
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Das große Problem der Stiftungen: der Einbruch bei den Kapitalzinsen. |
Die Situation fordert kirchliche Stiftungen zu ganz neuen Überlegungen heraus. Zum Beispiel die Bolivienstiftung „Justitia et participatio“ (Gerechtigkeit und Teilhabe). Auch sie hat Bischof Homeyer ins Leben gerufen – im Jahr 2003. Damaliger Zinssatz: 4,07 Prozent.
Die Stiftung gründet sich auf ein Vermächtnis des Hildesheimer Diözesanpriesters Achim Muth und ist für die „Armen und Ausgegrenzten in Bolivien“ bestimmt. Mit den Zinserträgen wird der „Fundación Jubileo“ eine bolivianische Partnerstiftung gefördert, die politische Bildungsarbeit leistet – um den Ausgegrenzten eine Stimme zu geben.
Nachdenken über gravierende Veränderungen
In Zeiten von Zinserträgen von drei oder vier Prozent konnte die Stiftung ihren Zweck erfüllen und die Arbeit in Bolivien mit Geldern aus den Zinserträgen unterstützen. Doch jetzt sind genau diese Zinserträge eingebrochen. Die Folge: das Kuratorium der Stiftung denkt über grundlegende Änderungen nach.
Dabei gibt es drei Optionen: Zum einen eine Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung, bei der das Kapital Schritt für Schritt aufgebraucht werden kann. Das ermöglicht den Fortbestand des Stiftungszwecks – allerdings nur so lange das Geld reicht. Zum anderen kann die Stiftung auch in ein Sondervermögen des Bistums überführt werden (siehe Kasten links). Dann existiert allerdings die Stiftung als eigenständiger Rechtsträger nicht mehr, sondern nur als Haushaltsposten.
Drittens schließlich kann die Stiftung sich auflösen und das Kapital auf einen Schlag nach Bolivien überweisen. Auch dann existiert sie nicht mehr. Unterm Strich: Ein gravierender Einschnitt für die Idee einer Stiftung, die vor allem auf eines angelegt war – auf dauerhaftes Wirken.
Rüdiger Wala
Was ist was?
Stiftung: Grundsätzlich ist eine Stiftung in Deutschland eine Einrichtung, die mit Hilfe eines Vermögens einen vom Stifter festgelegten Zweck verfolgt. Dabei wird in der Regel das Vermögen auf Dauer erhalten und die Begünstigten können nur in den Genuss der Erträge kommen. Möglich sind auch sogenannte Dach- oder Gemeinschaftsstiftungen, die nicht nur von einem Stifter, sondern von mehreren gemeinsam ausgestattet, aber getrennt verwaltet werden können.
Verbrauchsstiftung: Die recht neue Rechtsform ermöglicht es einer Stiftung auch das Kapital auszuschütten – und nicht nur die Zinsen. Sie wird zu einem bestimmten zeitlich beschränkten Zweck gegründet. Ist der Zweck erreicht und das Geld verbraucht, löst sich die Stiftung aus. Steuerlich hat das, sofern Gemeinnützigkeit besteht, keinerlei Nachteile gegenüber einer „normalen“ auf Dauer angelegten Stiftung.
Sondervermögen: Finanzmittel, die einen bestimmten Zweck erfüllen sollen, können auch als Sondervermögen ausgewiesen werden. Das Wirtschaftsrecht spricht von „organisatorisch verselbstständigten Einrichtungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit“. Das bedeutet: sie sind wirtschaftlich und verwaltungsmäßig selbstständig, aber nicht rechtlich. Für sie werden Sonderrechnungen (eigener Haushalt) und eigene Jahresabschlüsse erstellt. Zu den Sondervermögen gehören beispielsweise unselbständige Stiftungen. (wal)