Dem Hass mit Liebe begegnen: Das ist naiv - und jesuanisch ... und doch der einzige Weg, wenn Hass und Gewalt nicht die Oberhand gewinnen sollen. Ein Kommentar von Susanne Haverkamp.
„Wir müssen den Terroristen mit Liebe begegnen.“ So auf den Punkt gebracht wurde Margot Käßmann aus einem Interview der „Bild am Sonntag“ zitiert und ihr Zitat rief Proteste hervor. Naiv sei sie, radikal in ihrem Pazifismus – und mit ihr alle, die ebenso denken.
Nach allem, was uns überliefert ist, dachte allerdings wohl auch Jesus so. „Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“, so heißt es bei Matthäus in der Bergpredigt. Und: „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin.“ Provozierend damals zur Zeit der brutalen römischen Besatzung, provozierend heute im Zeitalter des Terrorismus, wo fast wöchentlich Anschläge mit vielen Opfern zu beklagen sind – in Europa und weltweit. Da sollen wir „lieben“ und „die andere Wange hinhalten“?
„Naiv“ lautet der Vorwurf, und tatsächlich verlangt Jesus wohl nicht, dass wir blind ins Messer laufen. Vorsichtsmaßnahmen, strengere Kontrollen, gute polizeiliche Arbeit und die rechtsstaatliche Bestrafung von Tätern und ihren Unterstützern sind notwendig wie lange nicht. Aber es kommt auf den „Geist“ an, in dem wir uns schützen.
„Meinen Hass bekommt ihr nicht“, schrieb der Franzose Antoine Leiris, der bei den Anschlägen in Paris seine Frau, die Mutter seines Sohnes, verloren hat. Denn wer hasst, begibt sich auf das Niveau der Terroristen. Und wer für seine Feinde und Verfolger betet, gewinnt eine andere innere Haltung. Vielleicht nicht die wahrer Liebe; aber eine, die von der Ahnung geleitet ist: Auch die Täter sind Menschen, ja, Geschöpfe Gottes. Wir stellen sie nicht „an die Wand“, auch nicht verbal; wir hängen sie nicht auf – auch wenn sie das überall auf der Welt mit Christen tun. Wir vergelten nicht „Gleiches mit Gleichem“, denn das würde alles verraten, was wir von Jesus zu wissen meinen.
Naiv? Zwecklos? Nein, der einzige Weg – sagt einer, der es erfahren hat. Peter Balleis war lange Jahre Direktor des Internationalen Jesuiten-Flüchtlingsdienstes. In dieser Zeit leitete er auch die Verhandlungen mit den afghanischen Taliban, die seinen Mitbruder Pater Prem entführt und 264 Tage gefangen gehalten hatten. Einen von den Wächtern, so erzählte Balleis der Zeitung „Die Zeit“, habe Prem „fast gehasst“, aber er habe sich durchgerungen, für ihn zu beten. „So verbesserte sich das Verhältnis. Man darf auf das Böse nicht mit Bosheit antworten.“
Der Terror unserer Zeit ist die Nagelprobe: Trägt die Botschaft Jesu oder gewinnen Hass und Gewalt die Oberhand?
Von Susanne Haverkamp