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Bibel, Werte und Gottvertrauen

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Auftakt des Kreuzwegs der Schöpfung mit Ministerpräsident Stephan Weil in Hannover

Ein Kreuzweg der Schöpfung ist auch immer ein Kreuzweg für Geschöpfe – und damit ein Anlass zum Nachdenken. Über die Möglichkeit der Solidarität und möglicher Grenzen: insbesondere in der Frage der Aufnahme von Flüchtlingen.

Durchaus ein Kreuz des Anstoßes: Nach der Andacht ziehen gut 90 Teilnehmer mit dem aus bolivianischen Hölzern gefertigten Schöpfungskreuz von der Kirche St. Heinrich zum Maschsee. Fotos: Wala

Keine Frage, die Herausforderung ist groß, die Verantwortung auch: „60 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht – vor Krieg, vor Armut, auch vor dem Klimawandel“, sagt Stephan Weil. Der niedersächsische Ministerpräsident predigt zur Eröffnung des sechsten Kreuzwegs der Schöpfung des Bistums Hildesheim  in der Kirche St. Heinrich in Hannover.

Was aber sagt ein Ministerpräsident, in dessen Bundesland über 100 000 Flüchtlinge gekommen sind? Das entspricht der Einwohnerzahl von Salzgitter. Er schaut – natürlich – in die Bibel und wird in beiden Testamenten fündig: Der Fremde soll euch als Einheimischer gelten, steht im Buch Levitikus (19,33). Und Jesus Christus nimmt, der Erfahrung der Flucht nach Ägypten gedenkend, selbst den Blick des Flüchtlings an: „Was du meinem geringsten Bruder ...“

Für Weil ist die Aufnahme von Flüchtlingen eine zentrale Botschaft der Bibel. So klingt es bei ihm bitter, wenn er sagt, dass „christlich geprägte Länder wie Ungarn oder Polen meinen, dass sie das Problem der Flüchtlinge  einfach vor ihrer Tür lassen können.“

Was sagt ein Ministerpräsident angesichts Tausender Flüchtlinge, die noch in Turn- und ehemaligen Industriehallen untergebracht sind – mit Bauzäunen und Papierwänden. Er dankt – den Zigtausenden, die sich ehrenamtlich um sie kümmern. Und wird pragmatisch beziehungsweise „realistisch“, wie Weil betont: „Unsere Möglichkeiten, individuell wie gesellschaftlich, sind endlich.“

Die Aufnahme von Flüchtlingen ist eine zentrale Botschaft der Bibel, betont Ministerpräsident Stephan Weil in der Predigt.

Auch Niedersachsen schiebt abgelehnte Asylbewerber in Länder ab, die per Gesetz als „sicher“ erklärt wurden. Was sagt ein Ministerpräsident dazu? Die Politik sei gefordert, die Ursachen von Flucht anzugehen. Er plädiert dafür, die Fluchtursachen anzugehen – und deutet zumindest an, wie hilflos manchmal Politik sein kann: „Es macht mich nicht stolz, wenn Deutschland einen Spitzenplatz bei den Rüstungsexporten einnimmt“, bekennt der Sozialdemokrat. Zudem fehle es an humanitärer Hilfe gerade in den Krisenregionen des Nahen Ostens: „In den Flüchtlingslagern werden die Lebensmittelrationen gekürzt, weil die reichen Staaten ihre Beiträge nicht zahlen.“
Trotz aller Widrigkeiten führe an Friedensverhandlungen und Entwicklungshilfe kein Weg vorbei: „Es ist kein Almosen, wenn wir eine nachhaltige Entwicklung in anderen Ländern unterstützen und Klimaschutz vorantreiben.“

Realistisch – das will Weil sein.  Offene Herzen – ja. Aber auch: Begrenzte Möglichkeiten. Über 300 Teilnehmer haben ihn im Gottesdienst gehört, der musikalisch auch von Schülern der katholischen Bonifatiusschule gestaltet wurde.

Gut 90 Menschen nehmen seine Worte mit, als sie im Anschluss mit dem bolivianischen Schöpfungskreuz zum Maschsee aufbrechen. „Unsere Hilfe und unsere Verantwortung ist noch nicht am Ende“, meint Pastoralreferent Martin Wrasmann bei der Abschlussandacht. Dem politischen Realismus wird so eine große Portion christlicher Zuversicht beigefügt. Gottvertrauen.

Rüdiger Wala

 

Der nächste Kreuzweg

Langwedel, 28. Februar, 14 Uhr: Im Mittelpunkt des kommenden Kreuzwegs stehen die ökokologische wie sozialen Folgen der Erdgasförderung. Der Weg führt von der Freilichtbühne Holtebüttel (Zur Freilichtbühne 19) zur evangelischen Kapelle in Völkersen (Kapellenweg 10). Ansprache: Professor Dr. Dr. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken.
 


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