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Wenn die Waffen schweigen

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Kämpfe in vielen syrischen Städten beendet

Sie wollen nicht mehr kämpfen: In immer mehr syrischen Städten stehen die Waffen still. Ein hoffnungsvolles Zeichen auch für die Friedensgespräche in Genf, die am Freitag beginnen sollen.

"Dank Allah! Wir haben so lange darauf gewartet": Maysa Khorfa ist über den Waffenstillstand in Al Waer bei Homs erleichtert. Foto: kna-bild

Junge syrische Rebellen übergeben ihre Waffen nach jahrelangem Kampf der Armee. Sie unterschreiben, sich nicht wieder bewaffnet gegen den Staat zu erheben. Dafür wird ihnen Amnestie gewährt; sie können zu ihren Familien zurückkehren. "Sie sind moralisch verunsichert", antwortet Regierungsmitarbeiter Elia Samman auf die Frage, warum gerade jetzt so viele lokale Waffenstillstands-Vereinbarungen zustande kämen. "Sie wollen nicht mehr kämpfen und sie fühlen sich wie in einer Falle." Die Syrer seien moderate Muslime, und nun fänden diese jungen Männer sich an der Seite von Wahhabiten und Salafisten wieder: "Sie fragen sich, was das eigentlich noch mit ihren ursprünglichen Zielen zu tun hat."

International seien die Weichen in Richtung Verhandlungen für eine politische Lösung gestellt, also erhalte der bewaffnete Kampf nicht mehr genügend Unterstützung, so die Einschätzung Sammans. Die syrischen Kämpfer hätten verstanden, dass sie die Regierung militärisch nicht stürzen könnten, und suchten nach einem Ausweg. Es seien die ausländischen Kämpfer und die ausländische Einmischung, die solche Vereinbarungen immer wieder torpedierten. 
 

Ministerium für nationale Versöhnung

Samman stammt aus Homs und ist Berater im Ministerium für nationale Versöhnung. Seit seiner Studentenzeit ist Samman Mitglied der lange verbotenen Syrischen Sozial-Nationalistischen Partei (SSNP). Er war im Gefängnis, wurde gefoltert und ließ sich dennoch nicht von seinem Ziel abbringen: dem Aufbau eines säkularen, einigen Syriens, in dem alle Bürger die gleichen Rechte haben. 

Das Verhältnis zur syrischen Regierung ist bis heute angespannt. Bei den Wahlen 2012 zogen SSNP-Abgeordnete in das Parlament ein. Die Partei schlug vor, ein Versöhnungsministerium aufzubauen, der Präsident stimmte zu. Im ganzen Land beteiligen sich seitdem SSNP-Aktivisten an lokalen Versöhnungskomitees. Sie helfen Entführten, Verletzten und ihren Familien. Viele junge Leute schließen sich an, auch wenn sie die Regierungsbeteiligung der Parteiführung ablehnen. 

Das große Leid, das diese Helfer und Aktivisten täglich vor Augen haben, könne nur nach einem umfassenden, landesweiten Waffenstillstand gelindert werden, meint Samman. "Dann, wenn die Waffen schweigen und die Bevölkerung sich wieder bewegen kann, kann der lange Versöhnungsprozess beginnen."
 

Vereinbarung nach monatelangen Kämpfen

Eine Bäckerei in Al Waer - mit dem Waffenstillstand kehrt
ein wenig Normalität zurück. Foto: kna-bild

Nach monatelangen Verhandlungen ist auch in Homs eine Vereinbarung zwischen dem Gouverneur und 38 bewaffneten Gruppen in Kraft getreten, die sich in dem Vorort Al Waer verschanzt hatten. 270 Kämpfer haben mit rund 700 Familienangehörigen die Stadt Ende Dezember Richtung Idlib verlassen. Bis Ende Januar sollen weitere etwa 2.000 Kämpfer und deren Familien abziehen. 

Die Straße von Homs nach Al Waer führt an Häuserruinen vorbei. Es folgen Felder und schilfumrandete Seen, an denen kleine Restaurants stehen, die geschlossen sind. Verlassene Spielplätze, ein Schwimmbad und ein Vergnügungszentrum sind von Kampfspuren gezeichnet. Der Fluss Orontes fließt hier entlang. Früher vergnügten sich die "Homsis", die Einwohner von Homs, an seinen Ufern. 

An der Kreuzung nach Misyaf muss sich die Bevölkerung von Al Waer an einem Kontrollpunkt der Armee ausweisen. Orangen und Kartoffeln, Zucker und Gaszylinder werden von einem Lastwagen auf kleinere Lieferwagen umgeladen, die nach Al Waer fahren. Für die Geschäftsleute aus dem Vorort überwacht Abdulrahman Aslan den Vorgang. Er werde für seinen Einsatz bezahlt, berichtet er. Für die Armee kontrolliert ein Militärbeobachter das Umladen der Güter. Er meint, er könne es nicht akzeptieren, dass bewaffnete Personen in einen anderen Teil des Landes gebracht würden. "Entweder Versöhnung oder Kampf", sagt er. Es sei gut möglich, dass dort, wo die Kämpfer nun hingingen, eine neue Front entstehe. 

Eine Frau mittleren Alters überwacht unterdessen das Umladen von Schulbüchern. Sie stellt sich als Maysa Khorfa vor. Sie sei Lehrerin an der Cordoba-Grundschule in Al Waer, die jetzt mit den Schulbüchern für das nächste Quartal ausgestattet werde. "Diese Vereinbarung ist das Beste, was uns in den letzten Jahren passiert ist", sagt sie und hebt ihre Hände gen Himmel. "Dank Allah! Wir haben so lange darauf gewartet."

kna


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