Viele tun sich schwer, das Gebot zu leben: „Wenn jemand dich auf die rechte Wange schlägt, …“ oder „Liebe deine Feinde“. Und wie passt „Auge um Auge“ und „Zahn um Zahn“ dazu? K. G., Obermaßfeld
Die Bergpredigt bei Matthäus (Feldrede bei Lukas) ist in vielerlei Hinsicht eine „programmatische Rede“: Jesus will sein Jüngern anhand von Beispielen verdeutlichen, was seine Lehre in der Praxis bedeutet – und das ist viel.
Als Mose das Prinzip „Auge für Auge, Zahn für Zahn“ (Lev 24,20) verkündete – immer eingeleitet mit der Legitimierungsformel „Der Herr sprach zu Mose“ – war das Gesetz fortschrittlich: nicht Sippenhaft und generationenlange Fehden, sondern gerechter Ausgleich für zugefügte Verletzungen, für Diebstähle und andere Vergehen.
Jesus überbietet diesen durchaus vernünftigen Grundsatz: Nicht gerecht sollt ihr sein, sondern „barmherzig wie euer Vater barmherzig ist“ – so endet der Abschnitt über die Feindesliebe (Lk 6,36). Für Jesus steht das Liebesgebot über allem, aus diesem Grundsatz speist sich sein „Ich aber sage euch“.
Man kann lange darüber diskutieren, wie wörtlich die einzelnen Sätze zu verstehen sind. Denn auch leicht skurrile Anweisungen sind dabei: „Wenn dich dein Auge zum Bösen verführt, reiß es raus!“ (Mt 5,29). Das hat nie jemand wörtlich genommen ...
Sicher ist aber: Jesus gibt Beispiele für eine Grundhaltung, die Grundhaltung: Schlag nicht sofort zurück; unterbrich den Kreislauf des Hasses und der Gewalt; verblüffe deine Gegner mit Freundlichkeit; tu auch ohne Gegenleistung Gutes; vergebe, wenn dir etwas angetan wurde, denn auch du brauchst Vergebung.
Diese Grundhaltung tatsächlich zu leben, ist nicht leicht. Das wusste Jesus schon damals, denn seine „Gruppe“ hatte durchaus Feinde; gerade deshalb impft er den Jüngern diese Haltung ein. Wie sehr man diese Feinde „liebt“, ist sicher die Frage. Nicht so wie seine „Lieben“, aber Hass hilft auch nicht. „Meinen Hass bekommt ihr nicht“, schrieb ein Pariser, der seine Frau bei den Attentaten verlor, in einem offenen Brief an die Täter und ihre Unterstützer. Genau das meint Jesus.
Von Susanne Haverkamp