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Hat Christus das Gesetz aufgehoben oder nicht?

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Im Epheserbrief (2,13–18) heißt es, dass Jesus das Gesetz samt seinen Geboten aufgehoben habe. Im Matthäus-evangelium (5,17–20) sagt Jesus: „Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“ Was gilt denn nun? H. B., 21217 Seevetal

Stellt man beide Sätze so nebeneinander, widersprechen sie sich in der Tat. Wenn man sie richtig verstehen will, muss man sie aber im Kontext lesen. 

Zudem sollte man sich für ein genaueres Verständnis den sogenannten „Sitz im Leben“ anschauen: Wann und wo, mit welcher Absicht hat der Verfasser das geschrieben? Jesus selbst wie die ersten christlichen Autoren haben Antworten auf unterschiedliche Fragen gegeben, haben sich mit theologischen Gegnern auseinandergesetzt.

Wie der Jude Jesus das Gesetz – also den Willen Gottes – versteht, das schildert der Matthäus in der Bergpredigt (Kapitel 5–7). Matthäus schrieb für eine Gemeinde ehemaliger Juden – zum Teil verstanden sie sich noch so –, die glauben, dass Jesus von Nazaret der Messias ist. Ihnen sagt er: Jesus steht zum Gesetz – ein anderer Begriff für die Tora, die Weisung Gottes – er will sie erfüllen, indem er an ihr wesentliches Anliegen erinnert, ihren Sinn betont: gerecht und friedfertig zu leben, zu lieben, zu vergeben … Kurzum: so zu leben, wie Gott selber ist. 

Im Gegensatz dazu schreibt der Verfasser des Epheserbriefes an Christen, die keine Juden waren, sondern Bewohner einer antiken multireligiösen 200 000-Einwohner-Metropole. Ihnen will er klarmachen: Bei Christen ist die Trennung zwischen Juden und Heiden aufgehoben: „Er vereinigte die beiden (Juden und Heiden)“ (2,14). Es gibt keine religiöse Zweiklassengesellschaft mehr. Um Gemeinschaft mit Gott zu haben, müsst ihr nicht alle einzelnen Gebote und Forderungen des jüdischen Gesetzes erfüllen. Ihr sollt an Jesus Christus glauben und ein Leben führen, das Gottes Willen entspricht, so wie ihn Jesus verkündet hat.

Das ist ein anderes Anliegen als bei Matthäus oder in Jesu ersten Auseinandersetzungen mit pharisäischen Theologen. Und es gilt auch für uns Christen heute.

Von Roland Juchem

 


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