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Lese in bewegten Zeiten

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Gesprächsprozess

Am vergangenen Wochenende tagte zum letzten Mal der "Gesprächsprozess" zwischen Bischöfen, Geistlichen und Laien in Würzburg. Wie geht es nun weiter? Zeit für die Lese.

Bei diesem Treffen des Gesprächsprozesses ging es weniger um Austausch, als um Abstimmung. Foto: kna-bild

In den Weinbergen rings um Würzburg beginnt in diesen Tagen die Lese. Und weil die Bibel voll ist von Geschichten und Gleichnissen rund um die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit, drängen sich bei einer Bilanz zum "Gesprächsprozess" der katholischen Kirche in Deutschland entsprechende Vergleiche auf. Vor fünf Jahren hatten die Bischöfe unter dem Eindruck des kurz zuvor bekanntgewordenen Missbrauchsskandals den Dialog zur Zukunft der Kirche gestartet. Am Wochenende fand er in Würzburg seinen Abschluss. Bischöfe und Laien machten sich bei einem letzten Forum an die Lese. Was wird daraus nun erwachsen? 

Ebenso vielstimmig wie der Ausblick von Experten auf den kommenden Weinjahrgang fällt auch das Urteil der Teilnehmer über den Ertrag des Gesprächsprozesses aus. Der Redebedarf zwischen Bischöfen und Laien ist weiterhin groß. Das zeigte sich exemplarisch am Freitag bei der über siebenstündigen Debatte zur Verabschiedung des Abschlusspapiers. Noch einmal kamen einige der Konflikte zur Sprache, die weiterhin im Raum stehen: die Frage nach einer Zulassung von Frauen zum Weiheamt oder der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen. 

Um in der Welt der Winzer zu verweilen: Einige Teilnehmer wollten bei der Aussprache den Rebstöcken mehr Platz gönnen, hier und da gar so etwas wie Wildwuchs zulassen. Andere, wie der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, drängten darauf, Triebe zurückzuschneiden, um dem Hauptstamm keine Kraft zu nehmen. "Wenn wir das so verabschieden, verlassen wir das Fundament unseres Glaubens", stellte er etwa bei der Debatte um eine Priesterweihe für Frauen klar. Die ist nach der lehramtlichen Verkündigung der Päpste definitiv unmöglich, für einige Teilnehmer des Gesprächsprozesses aber aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit geboten. 
 

Ist das Glas halbvoll oder halbleer?

Bei allen Differenzen wollen beide Seiten das Gespräch fortführen. Die Bischöfe stellten am Samstag Elemente einer Botschaft vor, die sie im November veröffentlichen wollen. Demnach ist geplant, den Dialog in Form eines alle zwei bis drei Jahre tagenden Konvents mit rund 120 Teilnehmern fortzusetzen.  

Ist das Glas nun halbvoll oder halbleer? Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, widersprach dem Eindruck, die Initiative sei folgenlos geblieben. Beispielhaft verwies er auf die Reform des kirchlichen Arbeitsrechts, eine stärkere Beteiligung von Frauen an kirchlichen Führungspositionen und eine neue Debatte über Ehe, Familie und Sexualität. 

Ähnlich äußerte sich auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück. Er dankte unter dem Applaus der Teilnehmer dem emeritierten Erzbischof von Freiburg, Robert Zollitsch, der in seiner Amtszeit als Bischofskonferenz-Vorsitzender "mit viel Mut und Zähigkeit" den Prozess ins Rollen gebracht habe.  
 

Gewaltige "Klima-Veränderungen" seit 2010 

Wie beim Wein war für den Dialogprozess auch das Klima von Bedeutung. Seit 2010 haben sich da gewaltige Veränderungen ergeben. Auf den einfachen Arbeiter im Weinberg des Herrn, Benedikt XVI., folgte mit Franziskus ein Papst, der ebenfalls auf ein bescheidenes Auftreten setzt, dabei aber eine ganz eigene Dynamik entfaltet. Eine Weltbischofssynode zu Ehe und Familie, neue Debatten über Homosexualität, eine Kirchenrechtsreform zur Beschleunigung von Ehenichtigkeitsverfahren: Das alles klingt nach mehr als einem Sturm im Wasser- oder, um im Bild zu bleiben, Weinglas. 

Auch die gesellschaftlichen Herausforderungen haben sich gewandelt: Die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals, der den Prozess auslöste, ist noch keineswegs abgeschlossen, wie der Trierer Bischof und Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz Stephan Ackermann betonte. Doch das Megathema derzeit sind die nach Deutschland strömenden Flüchtlinge, die das Bild des Landes dauerhaft verändern werden, wie Bischöfe und Laien in einem eigenen Aufruf festhielten. Denjenigen allerdings, die eine "Überfremdung" oder Verwässerung der europäischen Identität predigen, schenkte Kardinal Marx zum Abschluss reinen Wein ein: "Unsere christliche Identität wäre in Gefahr, wenn wir Flüchtlingen an unseren Grenzen nicht helfen."

kna

Kernaussagen des Abschlussberichts des Gesprächsprozesses finden Sie hier.


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