Es hat noch nicht begonnen. Doch im Internet ist das von Papst Franziskus ausgerufene Jahr der Barmherzigkeit schon jetzt in vieler Munde. Erst jüngst haben der Vatikan und die Deutsche Bischofskonferenz Sonderseiten zu dem heiligen "Jubeljahr" ins Netz gestellt.
Barmherzigkeit - für Papst Franziskus ist es DER Begriff für die Liebe Gottes, der Schlüsselbegriff seines Pontifikates und der Kern des Evangeliums schlechthin. „Etwas mehr Barmherzigkeit verändert die Welt; es macht sie weniger kalt und mehr gerecht“, erklärte Franziskus bereits bei seiner ersten Ansprache als Papst am 17. März 2013.
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Papst Franziskus: Etwas mehr Barmherzigkeit verändert die Welt; es macht sie weniger kalt und mehr gerecht (Foto: DBK) |
Wie wichtig dem Pontifex diese zutiefst christliche Haltung ist, zeigt auch, dass er im Frühling das kommende Jahr zum „Heiligen Jahr der Barmherzigkeit“ erklärte. Auch wenn das sogenannte Jubiläum oder Jubeljahr, in dem der Papst den Gläubigen bei Erfüllung bestimmter Bedingungen einen vollständigen Ablass gewährt, erst am 8. Dezember 2015 offiziell beginnt, hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) schon jetzt eine Seite zum Festjahr ins Netz gestellt. Die deutschen Bischöfe möchten damit den Begriff der Barmherzigkeit, etwas salopp formuliert, raus aus der Mottenkiste holen. Studien haben nämlich ergeben, dass die meisten Jugendlichen mit dem Wort kaum noch etwas anfangen können.
Uralte hebräische Tradition
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Weihbischof Ulrich Boom (Foto: KNA) |
Verantwortlich für die Umsetzung des Jubeljahres in Deutschland ist der Würzburger Weihbischof Ulrich Boom. Im Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur KNA sagte er: „Ich freue mich, dass Papst Franziskus der Barmherzigkeit und damit dem Mitleid und der Nächstenliebe ein ganzes Themenjahr widmet und diese zutiefst menschlichen Verhaltensweisen neu bewusst machen möchte. Da aber längst nicht jeder die „große Bedeutung eines Heiligen Jahres für die katholische Kirche“ kenne, will nun die DBK mit der Internetseite „das Anliegen des Papstes erläutern und kontinuierlich über Veranstaltungen und Pläne zum Heiligen Jahr in Rom und in den deutschen Bistümern berichten.“ Neben dieser deutschen Seite hat natürlich längst auch der Vatikan eine Seite zur „Misericordia“ (lateinisch für Barmherzigkeit) ins Netz gestellt; und zwar in gleich sieben Sprachen: Italienisch, englisch, spanisch, französisch, portugiesisch, polnisch und deutsch. Zu sehen sind dort unter anderem der Terminplan für die offiziellen Veranstaltungen in Rom und natürlich ein paar Video von Papst Franziskus. Angekündigt hatte der Papst das Jahr am 13. März 2015 in einer Predigt (Auszüge) im Rahmen eines Bußgottesdienstes im Petersdom. Beendet wird das Jubeljahr am 20. November 2016 mit dem Christkönigssonntag.
Sieben Werke der Barmherzigkeit
Die Veranstaltung des Heiligen Jahres. geht auf eine hebräische Tradition zurück. Das „Jubeljahr“ oder „Jubiläum” war ein besonderes Heiliges Jahr, das ursprünglich alle 50 Jahre begangen wurde. In der katholischen Kirche griff Papst Bonifatius VIII. 1300 die Tradition wieder auf. Ursprünglich sollte es alle hundert Jahre gefeiert werden. 1475 legte man jedoch einen Rhythmus von 25 Jahren fest. So wollte man jeder Generation ermöglichen, zumindest einmal im Leben ein Jubiläumsjahr mitzufeiern. Bis heute wurde insgesamt 26 Mal ein ordentliches Heiliges Jahr gefeiert (eine Liste dazu findet sich bei Wikipedia).
Barmherzigkeit und Kapitalismus stehen sich oft unversöhnlich gegenüber
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Der Papst und das Logo des Jubeljahres (Bildschirmfoto: DBK) |
Laut Papst Franziskus ist die Barmherzigkeit der Leitbegriff des Christentums, der das zentrale Wesen Gottes beschreibt. Bereits im Alten Testament in Psalm 103 heißt es „So hoch wie der Himmel über der Erde ist, reicht seine Barmherzigkeit“. Vor allem aber im Neuen Testament gelangte das Wort - etwa in der Geschichte vom barmherzigen Samariter - zur Hochblüte. Auch in der Bergpredigt thematisiert Jesus die heilige Tugend: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“. Nach christlicher Tradition gibt es sieben Werke der Barmherzigkeit. Dazu gehört Hungrige zu speisen, Dürstenden zu trinken zu geben, Nackte zu bekleiden, Fremde aufzunehmen, Kranke und Gefangene zu besuchen sowie Tote zu begraben.
Die Barmherzigkeit richtet sich dabei an alle Menschen - ungeachtet ihrer Religion und Herkunft. Und wer dem Papst genauer zuhört, der kann vielleicht erahnen, dass für ihn die Gepflogenheiten im sogenannten Turbo-Kapitalismus fast genau das Gegenteil seiner Lieblingstugend sind. Zur Globalisierung sagte er einmal. „Die Wirtschaft tötet!“
Ihr Webreporter Andreas Kaiser (mit KNA)